Alles Gold Der Erde
ich werde es an der Tür festmachen.«
Während er hinausging, schaute Kendra ihm nach. Auch Hiram hatte Mumm. Er war mit einem Paar kräftiger Hände nach Kalifornien gekommen – und das war so ungefähr alles gewesen. Zu jener Zeit hatte noch kein Mensch etwas vom Gold in den Bergen geahnt. Sie wünschte, er hätte ihr ein wenig mehr von sich erzählt. Sie wußte nur, daß er der Sohn eines Pfarrers war, der seine Kinder zwar in eine anständige Schule schicken konnte, aber außerstande war, ihnen Geld in die Hand zu drücken. Doch trotz seiner Zurückhaltung hatte sie das Gefühl, ihn gut zu kennen. Seine robuste Ritterlichkeit gefiel ihr.
Aus Honolulu waren keine Truthähne mehr geliefert worden, statt dessen konnte man Steaks kaufen. Am Sonntagmorgen ging Loren in die Kirche. Kendra dürfe noch nicht ins Freie, meinte er, da sie das Kind zu stillen hatte und eine Erkältung üble Folgen haben könne. Sie brutzelte also dicke Steaks, dazu gab es Kartoffeln und Weißrüben, Orangen aus Hawaii und einen Rosinenpudding; als Krönung des Mahls würde sie die besten Liköre und Schnäpse servieren, die in der Stadt aufzutreiben waren.
Dieses Weihnachtsfest wurde das fröhlichste, das sie alle seit Jahren erlebt hatten. Pocket, Hiram und Marny kamen mit Brennholzbündeln an, die mit einer blauen Schnur umwickelt waren. »Ein Geschenk für den Kleinen, damit er's schön warm hat.« Auf der Straße stand ein Maultiergespann. Der Wagen war mit noch mehr Brennholz beladen. Überdies lagen Pakete darauf.
Angesichts des vielen Holzes kamen Kendra vor Dankbarkeit fast die Tränen. Brennholz war nicht nur das teuerste Geschenk, sondern auch das willkommenste, da der Kleine viel Wärme brauchte. Loren, der genauso begeistert war wie seine Frau, brachte dem Kutscher ein großes Glas Whisky. Dann half er beim Abladen und Verstauen des Holzes. Kendra und Marny trugen derweilen die Pakete hinein und stapelten sie in einer Ecke des Salons. Sie sollten erst nach dem Essen ausgepackt werden. Die Männer kamen erhitzt von der Arbeit herein. Loren fragte, ob sie etwas zu trinken haben wollten.
»Gewiß«, antwortete Hiram.
»Ich nicht«, sagte Loren ablehnend.
»Ja, Gott sei Dank, ich kann heute sogar ein bißchen blau werden, weil ich ja nicht zu spielen brauche«, sagte Marny.
Sie tranken und nahmen dann das festliche Mahl zu sich. Danach tranken sie Kaffee und Schnäpse im Salon. Kendra zeigte ihnen das Baby. Sie war überzeugt, es lächle beim Anblick der guten Freunde, die so viel für sein Wohlbehagen getan hatten. Nachdem sie das Kind wieder nach oben gebracht hatte, wurden die Weihnachtspäckchen geöffnet. Zum Vorschein kamen Wollschals für Loren und Ralph, Handschuhe und Pantoffeln für Kendra und Serena. Delikatessen für alle aus China und ein Buch mit Weihnachtsliedern.
»Ach, Marny, ach, ihr Freunde – das hättet ihr doch nicht alles zu schenken brauchen«, rief Kendra.
»Doch«, sagte Pocket entschieden. »Sehen Sie sich doch bloß einmal an, was Sie alles für uns getan haben. Wir leben in dieser miserablen Stadt, die voller Schlamm und Ratten und fremder Leute ist, und Sie haben uns eine Weihnachtsfeier wie daheim bereitet. Es ist lange her, seit ich von zu Hause fort bin. Wir alle waren lange nicht in der Heimat.«
»Halt den Mund«, unterbrach ihn Hiram. »sonst kriege ich noch einen Kloß in den Hals.«
»Mir steckt er schon im Hals«, sagte Kendra.
»Schon gut«, meinte Marny. »Wir wollen vernünftig bleiben. Kendra, ich helfe dir beim Aufräumen.«
Pocket fiel ihr mit Nachdruck ins Wort. »Nein, Ma'am, das werden Sie nicht machen. Sie arbeiten das ganze Jahr. Heute haben Sie endlich mal einen freien Tag. Loren, Hiram, Ralph und ich, wir werden uns um diesen Kram da kümmern.«
Kendra lachte.
»Großartig. Dann fangt gleich an.«
Hiram stärkte sich mit einem weiteren Glas, dann gingen die Männer in die Küche. Eingehüllt in Wärme und Luxus, lehnte sich Kendra in ihrem Stuhl zurück.
»Marny, ist das nicht spaßig?«
»Ich finde es schön.«
»Und das viele Holz! Marny, ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür bin.«
Marny goß sich Brandy in den Kaffee. »Sei nicht allzu dankbar, meine Liebe, das ist nicht nötig. Ich bin sicher, Pocket und Hiram können sich diese Ausgabe leisten, und ich kann's auch.« Sie blinzelte Kendra über den Tisch hinweg an. »Ich habe ein hübsches Geschäft mit diesen Dampfertickets gemacht. Ein- oder zweimal bin ich natürlich reingefallen.
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