Alles Gold Der Erde
News, ferner ein paar neue Bücher, eine Bürste, ein Kamm und ein Handspiegel sowie eine Klingel, um notfalls Serena rufen zu können, Kendras Augen waren munter, ihre Wagen rosig. Sie sah wirklich gut aus.
Marny sagte ihr das auch und reichte ihr das Kleid. Kendra stockte der Atem vor Freude.
»Schau dir doch mein Kind an. Ist es nicht schön?«
Marny beugte sich über die Krippe und bestätigte gehorsam, daß das Baby schön sei, wenngleich sie der Meinung war, daß kleine Gesicht ähnele einem Stück gebrauchter Seife. Sie nahm eines der Händchen von der Decke.
»Babys sind ja wirklich sehr klein!« wunderte sie sich.
Kendra lächelte. »Nun, er hat ganz schön schwer gewogen«, erwiderte sie, und Marny unterließ es, ihr die Worte des Arztes zu wiederholen, wonach ihre Niederkunft mit dem Knacken einer Erdnuß zu vergleichen sei. Kendra fuhr fort:
»Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr, das ist vorbei. Ach, Marny, ich bin ja so glücklich über ihn!«
Marny ließ sich in einem Stuhl neben dem Bett nieder. Kendra nahm ihre Hand und sagte mit weicher Stimme:
»Ich habe nie geahnt, wieviel ein Baby bedeutet. Ich habe gewußt, daß ich das Kind lieben werde, aber ich habe nicht gewußt, wie sehr ich es lieben werde. Das ist alles so wunderbar und überraschend.«
Marny freute sich mit ihr. Diesmal meinte sie es ernst. Noch niemals waren sie dem Eingeständnis so nahe, daß Kendras Heirat auch ihre langweiligen Seiten hatte. Marny wußte dies, und sie zweifelte nicht daran, daß Kendra sich gleichfalls darüber im klaren war. Sicher empfand Kendra Dankbarkeit, weil Marny es nicht aussprach.
Eine Woche später, als Marny gerade ein Spiel beendet hatte und aufstand, sah sie Hiram und Pocket an der Bar stehen. Da sie die beiden in Sacramento wähnte, war sie erstaunt. Noch erstaunter freilich war sie über das Äußere der Männer. Sie waren nicht nur beide glatt rasiert, sie trugen auch gute schwarze Anzüge, weiße Rüschenhemden, Glacehandschuhe und Stiefel, wie die Städter, und sie trugen hohe Biberhüte. Die unvermeidlichen Tücher waren aus weißem Leinen und quollen aus Pockets Taschen. Als Marny sich ihnen näherte, begannen beide über ihre verblüfften Blicke zu lachen.
Hiram hob sein Glas. »Auch einen?« fragte er.
Marny erklärte. »Ein Gläschen Champagner kann nicht schaden.« Dann führte sie die Männer in einen der Privaträume, der zur Zeit nicht benutzt wurde.
»Jetzt erzählt mir einmal alles«, bat sie, als alle Platz genommen hatten. »Wann seid ihr in die Stadt gekommen? Und wo wohnt ihr? Was macht ihr hier? Und wo habt ihr diese eleganten Sachen bekommen? Und, um Himmels willen, wozu habt ihr sie euch gekauft?«
Immer noch lachend, fingen sie zu erzählen an. »Wir haben aus mehreren Gründen Sacramento verlassen. Der Morast in San Francisco ist zwar schon schlimm genug, der in Sacramento jedoch weit schlimmer.«
»Das kann doch wohl kaum möglich sein«, wandte Marny ein.
»Es ist in der Tat so«, versicherten sie. Hiram setzte es ihr auseinander:
»Ihr habt eine Menge Regen gehabt, aber bei uns hat es noch viel heftiger geregnet.«
Pocket bekräftige es. »Nicht nur der Schlamm in Sacramento ist schrecklich; an den Bergpässen sind die Verhältnisse derart übel, daß ein doppeltes Maultiergespann zwölf oder fünfzehn Tage braucht, um eine Wagenladung Proviant von Sacramento zum nächsten Goldfeld zu schaffen.« Tausende von Männern verbrachten den Winter in den Minen, und Pocket, der sich stets um andere Leute sorgte, hoffte sehr, daß die Handelsniederlassungen ausreichende Lebensmittelvorräte besaßen.
Die beiden hatten sich ein Zimmer in dem neuen Hotel St. Francis gemietet. Es hatte erst vor einer Woche geöffnet und war die teuerste Unterkunft der Stadt. Man hatte zwanzig Fertighäuser gekauft und zusammengefügt, so daß ein vierstöckiger Bau entstanden war. Die Zimmer waren nicht durch Segeltuchplanen, sondern durch Holzwände voneinander getrennt. Freilich war dieses Holz fast so dünn wie Papier. Immerhin jedoch gab es in ihrem Zimmer einen Waschtisch, Seife sowie Haken für Handtuch und Spiegel.
»Diesen Kram muß man natürlich mitbringen«, erläuterte Hiram, »und wer schlau ist, bringt auch seine eigenen Decken mit. Aber es ist die beste Unterkunft, die ich hier kenne.«
Sie erzählten, was sie seit ihrer Ankunft gestern unternommen hatten. »Zunächst sind wir zu Chase & Fenway gegangen, um unsern Goldstaub abzuheben. Schmutzig und unordentlich, wie
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