Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
Gegenden, die das Feuer noch nicht erreicht hatte – rissen Männer ganze Häuser ein, hieben mit Äxten gegen die Mauern oder benutzten Balken als Rammen. Sie strengten sich aufs äußerste an, um Lücken freizulegen, die das Feuer nicht überspringen konnten.
    Marny sah das alles, ohne eigentlich richtig hinzusehen. Was sie wirklich sah – mit ihren Gedanken, ihrem Herzen, ihrem ganzen Selbst –, das war der Calico-Palast.
    Der Calico-Palast stand zwischen einem Gasthaus und einem andern Spielhaus. Der Calico-Palast fiel in sich zusammen. Seine Außenmauern waren – wie die des El Dorado – aus Backstein, im Innern jedoch gab es lediglich Holzwände, und die waren dünn. Sie brannten mit einem Krachen, als führen ständig Donnerschläge herunter. Hilflos schaute Marny zu.
    Sie sah das Feuer. Sie sah den Rauch. Sie sah noch mehr: Sie sah die Gemälde, die Teppiche, die Spiegel, die Stühle, die Tische, die Lüster. Sie hörte das Toben des Brandes. Zugleich aber war ihr, als höre sie auch das Klimpern der Münzen auf diesen Tischen, und das Klingeln der kleinen Glocken, mit denen die Barkeeper herbeigerufen wurden. Es fiel ihr die glänzend polierte Bar ein und das Aroma der guten Liköre. Sie dachte an alles, und sie erinnerte sich der langen Stunden und Tage und Monate, die sie an ihrem Spieltisch verbracht hatte, um sich diese Pracht leisten zu können. Denn Kartenspiel war Arbeit. Marny hatte ihren Beruf selbst gewählt, und sie wollte nichts anderes; es war Arbeit. Sie hatte gute Arbeit geleistet – der Calico-Palast war der sichtbare Beweis dafür. Und nun ging das alles in Rauch auf.
    Es gab in San Francisco natürlich keine Feuerversicherung. Welcher Narr hätte sich denn auch in einer Stadt aus Segeltuch und Teerpapier und dünnen Brettern zu einer Versicherung bereit gefunden?
    Ein Teil ihres Wesens schwand dahin. Sie stand da und beobachtete dieses Sterben. Marny war nicht gesonnen, sich in eine Ecke zu verkriechen und über das Leben zu jammern, das nicht lebenswert sei. Doch gerade jetzt verstand sie, daß manche Leute sich so verhielten.
    Die Außenfront des Calico-Palastes stürzte auf die Straße. Nach allen Seiten flogen Backsteine. Nach allen Seiten flohen die Menschen davon. Nun konnte Marny die Verheerungen im Innern sehen. Nein, sie konnte den Anblick nicht ertragen. Sie wandte den Blick ab.

48
    Marny drehte sich um, die Flammen waren nun auch wieder auf das Dach des Spielclubs Verandah übergesprungen. Die Männer schütteten eimerweise Schlamm ins Feuer. Und dann hörte Marny eine Detonation in der Montgomery Street. Ziegelsteine und Holzbrocken sausten durch die Luft. Verzweifelt mühten sich die Leute ab, den Flammensturm zu meistern.
    Tausende wogten über den Platz. Die einen bekämpften den Brand, die andern schleppten ihre Habseligkeiten aus den Häusern. Es gab aber auch welche, die einfach dastanden und zuschauten, und solche, die versuchten, ihren Mitmenschen die eben geretteten Dinge zu entwenden. Auf einer zweiten Plattform ganz in ihrer Nähe entdeckte Marny den Priester der Plaza. Er brüllte der Masse zu: »Euer sündiges Treiben hat das Unheil heraufbeschworen. Dies ist die Strafe des Herrn für diese verdammte Stadt, dies Babylon der pazifischen Küste. Hättet ihr beizeiten bereut …« Marny fragte sich, ob ihm denn der Gedanke gar nicht komme, daß die Sünder vielleicht eher auf ihn hören würden, wenn er sich an der Hilfsaktion beteiligte, anstatt sie für das Feuer verantwortlich zu machen.
    Doch jetzt hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Zunächst konnte sie in der hin- und hertreibenden Masse und im ungewissen Licht den Rufer nicht ausmachen. Dann aber kam ihr Hiram zu Gesicht, der sich durch den Mob drängte.
    »Marny!« schrie er, als er sie endlich erreicht hatte.
    »Fröhliche Weihnachten«, entgegnete sie.
    Hiram warf zornig seinen Kopf in den Nacken. »Hören Sie mit den dummen Witzen auf, Sie Närrin! Kommen Sie runter!« Er faßte mit beiden Händen nach ihr. »Wissen Sie denn nicht, daß Sie sich mit Ihrem Rotschopf zur Zielscheibe für alle Schurken dieser Stadt machen?«
    Daran hatte Marny nun wirklich nicht gedacht. »Sie haben recht, Hiram. Ich bin momentan nicht ganz auf dem Damm.«
    Er blickte auf die traurigen Überreste des Calico-Palastes.
    »Armes Mädel. Das ist kein Wunder.«
    Marny sah ihn an. »Wenn ich mich übrigens wirklich hätte verstecken wollen, Hiram, dann hätte mich kein Mensch gefunden, auch Sie nicht. Ich hätte ja

Weitere Kostenlose Bücher