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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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er ihnen so viele Umstände mache. Als sie ihn so gut wie möglich bandagiert hatten, meinte Hiram:
    »Nun müssen wir sehen, ob wir ihn zu Chase und Fenway schaffen können.«
    »Ich kann gehen«, behauptete Loren. Er setzte sich auf und wurde beinahe wütend. Dann bedankte er sich für ihre Hilfe und beharrte darauf, daß seine Verletzungen gar nicht so schwer seien. »Schließlich bin ich doch kein kleines Kind. Ich kann gehen«, wiederholte er.
    Pocket lächelte kläglich. »Es sieht ganz so aus, als müßten Sie das auch. Ich glaube, selbst Hiram könnte einen erwachsenen Mann nicht durch diesen Schlamm tragen.«
    Der Bürgersteig war schmal und unsicher. Hiram und Pocket halfen Loren auf die Füße. Obgleich er behauptet hatte, er bedürfe keiner Unterstützung, sahen sie sogleich, daß er allein nicht vom Fleck kommen würde. Sie nahmen ihn zwischen sich und ergriffen seine Ellbogen. Marny ergriff ihr nun von Schlamm und Blut besudeltes Bündel und trottete hinter ihnen drein.
    Mit Hirams und Pockets Hilfe gelang es Loren, sich dahinzuschleppen. Freilich waren seine Schritte langsam, und ein jeder bereitete ihm Qualen. Er stolperte. Er unterdrückte das Stöhnen. Er tat, was er konnte. Dennoch mußten die beiden ihn binnen kurzem mit sich ziehen. Es war ein langer, langer Weg. Sie konnten sich indessen keine Rast gönnen. Sie mußten Loren in den Laden bringen.
    Als der Tag begann, war der Himmel über der Bucht klar. Marny erblickte die Masten der gestrandeten Schiff, die sich scharf im Dämmerlicht abzeichneten. Was mochte Captain Pollock jetzt tun? Sie hatte schon lange nicht mehr an ihn gedacht. Angenehmere Dinge hatten sie inzwischen beschäftigt. Sie trottete weiter.
    Loren war nicht der einzige Mensch, der Chase und Fenway aufsuchen mußte. Auch Marny mußte zu den Kaufleuten gehen. Ob Mr. Chase damit einverstanden war oder nicht, sie mußte eine Zeitlang bei ihm Unterschlupf suchen – wenigstens so lange, bis sie Kleider bekam. Wie oft hatte sie schon gesagt: »Ich habe nichts zum Anziehen.« Heute war diese Redensart kein Backfischlamento, es war reine Wahrheit. Ihr Kleid war zerrissen und verdreckt; an manchen Stellen war es verbrannt. Unter dem Kleid trug sie nichts als ein dünnes Nachthemd. Sie spürte, daß ihre leichten Schuhe aufgeplatzt waren. Und dann besaß sie noch den schmutzigen Schal samt dem Säckchen voller Geld. Das war alles. Ihre gesamte Garderobe lag unter der Asche des Calico-Palastes. Sie hatte kein Kleid, keine Unterwäsche, keine Strümpfe.
    Als sie in die Montgomery Street einbogen, sahen sie noch schlimmere Verwüstungen. Das Feuer war den Abhang hinunter fast bis zum Meer gefegt. Nahe der Ecke Washington Street und Montgomery Street hatte man eine Anzahl Gebäude niedergelegt. Kurz bevor die Flammen auch die Montgomery Street erreichen konnten, hatten die Männer den Brand gelöscht. Die Fahrbahn lag voller Trümmerreste. Überall wachten Posten, die Hand am Revolver. Verdächtige Gestalten streiften durch das Gelände, um vielleicht doch noch etwas Wertvolles zu finden. Eine dritte Gruppe lief – wie die Leute auf der Plaza – sinnlos herum und versperrte den Weg.
    Marny hörte, daß Hiram zu Pocket sagte: »Ich glaube, Loren kann nicht weitergehen. Wenn wir unsere Hände umeinanderschlingen …«
    »Versucht es«, warf sie ein. »Ich werde Loren an den Füßen packen.«
    Wiederum murmelte Loren, wie leid es ihm tue, ihnen derart lästig zu fallen. Er lehnte sich gegen Marny. Hiram und Pocket faßten sich an den Handgelenken. Marny half nach, und dann kauerte Loren sich auf beider Fäuste. Er schlang seine Arme um ihre Schultern.
    »Nehmen Sie Ihre Pistole, Marny«, sagte Hiram. »Und machen Sie notfalls auch von ihr Gebrauch.«
    »Nur keine Sorge.« Marny sagte ihnen nicht, daß sie auf Lorens Hemd frische Blutspuren gesehen hatte. Hiram und Pocket gaben sich alle Mühe. Warum sollte sie die beiden noch mehr beunruhigen?
    Sie stampften durch den Schlamm. Jeden Augenblick waren sie in Gefahr, von Kerlen niedergestoßen zu werden, die mit ihrem Diebesgut davonstürmten. Marny hielt ihr Bündel unter dem linken Arm, mit der Rechten umklammerte sie ihre Pistole. Das Bündel schien eine Tonne zu wiegen. Ihr Arm schmerzte, ihre Beine waren jetzt beinahe taub. Immer nur einen Schritt, sagte sie sich, und zog ihre Füße aus dem Schlamm. Auch die längste Reise geht einmal zu Ende. Immer nur einen Schritt …
    Überall lagen die Reste der vernichteten Häuser umher.

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