Alles Gold Der Erde
Hand auf ihr Bündel und fragte knurrend:
»Was ist denn in dem Bündel, Marny?«
Marny bellte zurück:
»Kleider. Lassen Sie mich vorbei!«
Auch ihn stieß sie von sich, und er belästigte sie nicht weiter. Auf der Plaza hatten die Männer Respekt vor ihr. Sie wußten, daß sie kein hilfloses Vögelchen war.
Inzwischen waren ihre Schuhe vom Schlamm so schwer geworden, daß ihre Schritte immer mühseliger wurden. Ihre Beine schmerzten. Hinter sich hörte sie ein Krachen. Eine Mauer stürzte ein. Sie wandte sich nicht um.
Nur fort! Nur fort! Diese Worte trieben sie an. Plötzlich wurde der Himmel ganz hell. Eine Flamme mußte aus dem Bau zügeln, wo es soeben gekracht hatte. In ihrem Licht erblickte sie über den Köpfen der herumlaufenden Männer eine Art Tribüne. Dort pflegte auf Kisten und Fässern der Versteigerer zu stehen. Sie stürzte darauf zu. Der Widerschein der Flamme verblaßte. Jetzt lag die Tribüne im Dunkel. Doch schon wieder erleuchtete ein Feuerstoß die Plaza. Sie schaute gar nicht hin. Sie mußte diese Tribüne erreichen, koste es, was es wolle. Ihre Kräfte ließen nach. Sie mußte sich ausruhen und Atem holen.
Eine Leiter führte in die Höhe. Marny zog einen Fuß aus dem Schlamm und stellte ihn auf die erste Sprosse. Dann zog sie den andern nach. Stöhnend kletterte sie hinauf. Auf der Tribüne schien es gar keinen Platz zum Stehen oder Sitzen zu geben. Natürlich konnte sie ein Faß hinabstoßen, aber das würde jemandem auf den Kopf fallen, und sie wünschte nichts weniger, als Aufmerksamkeit zu erregen. Es gelang ihr, ein paar Fässer näher zusammenzuschieben, so daß ein bißchen Platz für sie frei wurde. Dort ließ sie ihr Bündel fallen und fiel fast selber darauf. Fürs erste war sie den Blicken entzogen und wenigstens so sicher, wie sie inmitten der rasenden Menge und in der Nähe des Brandes überhaupt sicher sein konnte.
Es tat ihr in der Brust weh und in der Seite. Mehrere Minuten saß sie still da, bewegte sich kaum und versuchte, gleichmäßig zu atmen, damit ihr wild pochendes Herz sich beruhige. Nach einer Weile nahm sie die Schweißtropfen wahr, die ihr über das Gesicht strömten. Ein Taschentuch hatte sie natürlich nicht. Sie hob einen Arm und wischte sich die Stirn mit dem Ärmel ab. Dabei sah sie auf.
In ihrem Versteck hinter den Fässern konnte sie nicht erkennen, was unmittelbar vor ihr passierte; in der Ferne vermochte sie indessen die Flammen zu sehen und den Funkenflug und die Rauchwolken. Sie hörte das Dröhnen und Krachen des Feuers und das Geschrei aus vielen Kehlen. Marny spürte die sengende Hitze. Nach einiger Zeit ging es ihr ein wenig besser. Tief atmete sie die rauchige Luft ein, stieß sich hoch und starrte über die Fässer auf die Kearny Street.
Die ganze Stadt war ein einziges Flammenmeer. Sie konnte die brennenden Häuser unterscheiden. Denison's Exchange war ein Hexenkessel. Die Frontseite war verschwunden (das mochte der Krach gewesen sein, den sie gehört hatte), und nun verschlang das Feuer den Rest. Später erfuhr Marny, daß der Brand dort entstanden war. Es gab ein Dutzend Geschichten über die Ursache; was in Wirklichkeit sich zugetragen hatte, sollte kein Mensch je herausfinden.
Wenn die Leute doch nicht immer ihre Streichhölzer wegwerfen wollten! dachte Marny. Aber sie können's nun mal nicht lassen.
Denisons Lokal hatte zwischen einem Restaurant und dem Parker House gestanden. Aus beiden schlugen die Flammen. Das Parker House – ein Holzgebäude – brannte wie Zunder. Erschreckte Menschen rannten auf die Straße – in Nachthemden, in Unterwäsche, in Decken. Gegenüber dem Parker House stand das El Dorado, ein vierstöckiger Bau. Die Außenmauern waren aus Backsteinen. Marny konnte sehen, daß im Innern das Feuer wütete. Flammen leckten aus den Fenstern, Rauch schlängelte sich hinter ihnen drein. Und vom El Dorado aus griff der Brand nach Osten, auf die Montgomery Street und auf die Hafengegend über.
Funken sprühten wie Sterne von der Washington Street nach den Spielkasinos Verandah und Bella Union, nach Blossoms Etablissement und andern Häusern, die hügelaufwärts standen. Trotz des Schlammes brannten auch schon die Holzeinfassungen der Bürgersteige. Männer hatten Eimerketten gebildet, um noch nicht brennende Gebäude naß zu halten. Andere warfen nasse Decken auf die Dächer. Überall sah man, wie Habseligkeiten aus den Fenstern geschleudert wurden und Leute vollbepackt davonrannten. Weiter entfernt – in
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