Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
andern las, dachte sie immer wieder: Mein Gott, wie einsam diese Menschen sind!
    Auch sie war einsam. Sie war einsamer denn je zuvor. Aber diese Männer versuchten wenigstens, etwas gegen ihre Einsamkeit zu tun, überlegte sie. Und das mußte auch sie tun. Sie konnte nicht ewig herumsitzen mit ihrem Gram. Sie mußte wieder am Leben teilhaben. Sie mußte sich selbst einen Ruck geben. Kein anderer vermochte dies an ihrer Stelle.
    Sie vermummte sich und spazierte im Regen auf der Veranda hin und her. Wenn die Sonne schien, ging sie aus. Als Marny sie wieder einmal besuchte, bat Kendra:
    »Erzähl mir doch, was in der Stadt los ist.«
    »Sehr gut«, antwortete Marny. »Du wachst also wieder auf.«
    »Ja, ich wache auf.«
    Marny betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Sie saßen im Salon und tranken heißen Tee, während der Kessel über dem Feuer dampfte und der Nebel an den Fenstern vorüberzog. »Du wachst tatsächlich auf, Kendra«, wiederholte Marny nach einer Weile. »Du bekommst auch wieder Farbe. Du bist nämlich weiß wie eine Kerze gewesen. Und deine Stimme – sie klingt jetzt auch wieder anders, fast so wie früher.«
    Kendra war verwirrt. »Meine Stimme? Ich habe nicht gewußt, daß sie anders war.«
    »Doch. Du wirst wieder natürlich, meine Liebe, und das freut mich. Nun, was ist also los? Sehr viel ist los.«
    Zunächst sprach sie natürlich vom Calico-Palast. Er hatte als letztes der Spielkasinos wiedereröffnet. Sechs Wochen war daran gebaut worden, eine für San Francisco ungewöhnlich lange Zeit. Aber er war groß, erzählte Marny: vier Etagen mit den schönsten Bildern und den phantastischsten Bars der Stadt. Nicht daß der Bau besonders massiv wäre – derlei konnte man ja in sechs Wochen nicht erwarten. Das Dach war jedoch wasserdicht, und dies allein schon war Luxus genug.
    Marny und Norman hatten keine Zeit verschwendet. Sobald der Neubau gesichert war, hatte Norman in dem öffentlichen Spielsaal des Gresham Hotels einen Tisch gemietet und jeden Abend die Bank gehalten. Sie selber, Marny, hatte gleichfalls in diesem Hotel gespielt, und zwar mit einer auserlesenen Schar von Gentlemen, die Stammkunden ihres Saloons waren. Einer der Schwarzbärte hatte sie bewacht und den Pöbel ferngehalten. Jetzt aber waren sie alle wieder im Calico-Palast, und das Geschäft ging großartig. Marny holte tief Atem wie eine satte Katze. Kendra, der plötzlich einfiel, was Serena ihr gesagt hatte, lächelte ein wenig und fragte:
    »Du hast eine Affäre, Marny?«
    »Aber ja, meine Liebe, hast du denn etwas dagegen?«
    »Das geht doch mich nichts an.«
    »Natürlich nicht, aber ich bin dennoch froh, daß du das gesagt hast. Sieh mal.« Marny langte in ihr Kleid und zog ein kleines Bündel hervor, das in ein Taschentuch gewickelt war. Kendra schaute hinein. In dem Tuch lag eine Goldkette mit einem Anhänger aus zwei rosafarbenen Perlen und einer schwarzen.
    »Wie schön!« hauchte Kendra.
    Marny lächelte. »Perlen, die bei La Paz von Tauchern gefischt wurden. Die Kette ist aus kalifornischem Gold. Dwight hat sie für mich machen lassen. Ich trage sie jeden Abend.«
    »Um Gottes willen, Marny! Das fordert ja zum Diebstahl geradezu heraus.«
    »Das schon. Aber wir haben ja Eisengitter, und ich lege die Kette immer in den Safe, wenn wir den Laden schließen. Dwight will, daß ich sie trage.«
    Sie nahm das kostbare Päckchen wieder an sich. »Dwight ist ein feiner Bursche, Kendra. Und der neue Calico-Palast – wir sind richtig stolz auf ihn!«
    »Also seid ihr alle glücklich?«
    »Nicht alle. Rosabel spricht nicht mehr mit Norman. Sie haben eine Kabbelei gehabt.«
    »Weswegen denn?«
    »Ach, was weiß ich! Vermutlich die alte Geschichte: Sie will geheiratet werden, und er will davon nichts wissen. Ich hoffe, die beiden vertragen sich bald wieder, egal, wie. Jedenfalls möchte ich nicht, daß Rosabel ins El Dorado oder ins Verandah geht. Sie bringt uns viel Geschäft.« Marny schaute auf die Uhr. »Ich muß meine Stiefel anziehen. Dwight wird jede Minute hier sein.«
    Kendra kam ein Gedanke. »Ich möchte gern einmal all diese neuen Häuser an der Plaza sehen. Kann ich mit euch gehen?«
    »Ja, natürlich!« entgegnete Marny begeistert. »Es wird dir guttun, ins Freie zu kommen und dich umzusehen. Dwight wird dich wieder nach Hause bringen. Holen wir unsere Stiefel.«
    Es überraschte Kendra, wie ermunternd der Anblick der Plaza auf sie wirkte. Erst zwei Monate waren seit dem Feuer vergangen, aber ein Fremder hätte nur

Weitere Kostenlose Bücher