Alles Gold Der Erde
darin war. Er empfahl Kendra, zum Bankhaus Eustis & Boyd zu gehen. Vielleicht hatte Loren sein Geld dort deponiert.
Dies hatte er jedoch nicht getan. Mit verschwenderischer Hand hatte Loren sein Gehalt verpulvert: für das teure Haus und die schönen Möbel, für den hölzernen Bürgersteig, für den Sprengwagen im Sommer und das Brennholz im Winter, für Ralphs und Serenas Lohn, damit sie seine Frau behüteten und ihr die Arbeit abnahmen. Es war kaum etwas übriggeblieben.
Mr. Chase und Hiram drängten Kendra, ihre Hilfe anzunehmen. Hiram wollte ihr ein unbefristetes Darlehen gewähren, und zwar zinslos. Kendra schlug das Anerbieten aus. Sie sagte nicht, daß die Entdeckung des heutigen Tages ihr ein gewisses Gefühl der Erleichterung verschafft hatte. Das hübsche kleine weiße Haus war ihr stets wie eine Art Gefängnis erschienen. Nun konnte sie sich von diesem Gefühl befreien. Sie dachte an das Gebäck, welches sie einst zubereitet hatte, als der Calico-Palast noch ein Zelt im Morast gewesen war. Sie konnte auch jetzt wieder Gebäck zubereiten – und eben dies war es, was sie tun wollte.
Sie schickte Ralph in Mr. Noringtons Büro. Zusammen mit der Miete bis Monatsende überbrachte er einen Zettel, auf den sie geschrieben hatte, daß sie sich das Haus nicht mehr leisten könne. Als sie Ralph und Serena von ihrem Beschluß erzählte, fanden beide, sie handle richtig. Serena erwartete nun endlich das lang ersehnte Baby und hätte also sowieso nicht mehr für Kendra arbeiten können. Das junge Paar würde gewiß woanders eine Wohnung finden.
Am nächsten Tag erhielt Kendra einen zweiten Brief von Mr. Norington. Er war noch länger als der erste, und er war mit noch mehr Entschuldigungen gespickt. Mr. Norington hatte dem Hauseigentümer Bericht erstattet, und dieser Herr war empört darüber, daß Mr. Norington sie überhaupt belästigt hatte. Falls sie die Miete nicht zahlen könne, möge sie solange im Haus wohnen, wie es ihr beliebe – kostenlos. Der Hausbesitzer betrachte es als eine Ehre, einer so reizenden Frau ein Heim zur Verfügung stellen zu dürfen.
Nachdem sie diesen Brief gelesen hatte, rümpfte Kendra die Nase und schnaubte, als sei ein schlechter Geruch ins Zimmer gedrungen. Ein ganzes Haus für sie allein in dem von Menschen wimmelnden San Francisco … dieser Mann hätte ihr ebensogut einen Goldklumpen in Kürbisgröße schenken können. Sie hatte die Erfahrung gemacht, daß man in dieser Welt nichts umsonst bekommt. Dieses Angebot war nicht wie jene, die sie nach Lorens Tod erhalten hatte. Damals hatten die Männer ihr wenigstens die Heirat angetragen. Dieser Mensch jedoch bot ihr das unentgeltliche Wohnen an – als Lohn für ihre Gunst.
Sie dachte an Marny: an deren Nuggethalsband und Goldkette mit den drei Perlen. Marny hatte ihre Affären, und Kendra scherte sich nicht darum. Sie scherte sich wirklich nicht darum. Marnys Affären gingen sie nichts an. Sie selber aber … Nein. Selbst wenn sie nicht in den Calico-Palast hätte zurückkehren wollen, unter derartigen Bedingungen wäre sie keineswegs in ihrem Haus geblieben. Vielleicht war sie nicht konsequent, vielleicht war sie töricht. Aber so war sie nun einmal.
Kendra sandte Ralph mit einer Botschaft zu Marny. Sie lautete:
»Willst du mich wieder aufnehmen?«
Ralph brachte sogleich die Antwort: »Ja. Ja. Ja. Eil dich. Marny.«
Kendra schrieb Mr. Norington einige kühle Zeilen: Sie lehnte die Freigebigkeit des Hausbesitzers ab. Fast alle ihre Möbel ließ sie zu Chase & Fenway schaffen; die beiden sollten diese Sachen ohne Rücksicht auf die Höhe des Erlöses verkaufen. Sodann kaufte sie sich ein eisernes Feldbett und Dosen zur Aufbewahrung von Seifen und Kerzen, damit die Ratten sie nicht fressen konnten. Ihre schöne Kücheneinrichtung dagegen behielt sie. Nachdem diese Sachen in den Calico-Palast gebracht worden waren, nahm Kendra ihre persönlichen Dinge an sich und zog in das Spielkasino um.
In der obersten Etage räumten die Schwarzbärte einige Kästen mit Schnaps aus einem kleinen Gemach. Dies würde nun ihr Schlafzimmer sein. Hinter Marnys Salon, neben dem mit Brennholz gefüllten Lagerraum, richteten sie ihr die Küche ein. Marny und Norman hießen sie herzlich willkommen. Kendra versprach ihnen, nicht nur Kuchen für die Kundschaft zu backen, sondern auch Essen für sie beide und für Dwight Carson, falls er kam. Lulu und Lolo kochten für sich und die Schwarzbärte in einer eigenen Küche im ersten Stock. Dwight
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