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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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schwerlich gemerkt, daß es hier überhaupt gebrannt hatte. Alle vom Feuer zerstörten Gebäude waren wieder aufgebaut worden. Viele dieser Bauten schienen freilich nur aus Teerpapier und Zahnstochern zu bestehen (wie Dwight sich ausgedrückt hatte). Viele konnte man nicht einmal als Häuser bezeichnen: Segeltuchplanen waren über Holzrahmen gespannt. Doch allerorten blühte das Geschäft.
    Über die Bürgersteige eilten viele Menschen. Auf den Fahrbahnen rumpelten Fuhrwerke, die Kutscher krakeelten. Inmitten der Plaza brüllten die Versteigerer. Kendra betrat den Calico-Palast nicht, aber sie sah ihn sich von außen genau an. Die Fenster leuchteten im Nebel auf, die Transparenzbilder lockten Passanten zu verheißungsvollen Freuden.
    Ja, auf der Plaza regte sich wieder das Leben. Sie war voller Schmutz und Ratten, voller Energie und Gold; sie war grell, laut und prächtig – alles zu gleicher Zeit. Kendra fühlte sich durch so viel Lebenskraft gestärkt. Sie beneidete diese Menschen der Plaza. Sie machten sich und andern nichts vor. Sie wußten, was sie wollten, und sie wußten es sich zu beschaffen. Kendra wünschte, auch so selbstsicher sein zu können wie sie.
    Später jedoch hatte Kendra den Eindruck, sie habe damals schon genau gewußt, was sie wollte. Wie seltsam und dennoch logisch war es, daß man im Leben das bekam, was man wollte, so sagte sie sich, aber wieviel mußte man dafür zahlen!
    Sie hatte nicht das gewollt, was Loren ihr gegeben hatte. Sie hatte zur Plaza gewollt und zum Calico-Palast. Und jetzt, drei Monate nach dem Tod Lorens und ihres Kindes, stand sie hier im Lärm der Kearny Street vor dem Calico-Palast. Und sie hatte einen schrecklichen Preis dafür gezahlt.
    Kendra bemühte sich, mit ihrem Kummer nicht andern Leuten zur Last zu fallen. Sie konnten ihr doch nicht helfen. Helfen konnte ihr bloß die Zeit, und selbst der gnädige Ablauf der Zeit würde nicht imstande sein, ihre Wunden je ganz zu heilen. Niemand vermochte ihr einen Trost wie jenen zu geben, den Pocket einst in Shiny Gulch für sie bereit hatte: daß sie nach einiger Zeit sich keine Gedanken mehr machen werde. Denn diesmal war ihre Wunde von anderer Art. Bis ans Ende ihrer Tage würde es Augenblicke geben, da ihre Wunde schmerzen mußte. Eines Tages würde sie sich sagen: Wenn mein Junge noch lebte, dann wäre er jetzt fünf Jahre alt; dann wäre er zehn Jahre alt; dann wäre er zwanzig Jahre alt … Wie hätte er dann ausgesehen? Was würde er tun?
    Das wird nie anders werden. Das war der Preis, den sie hatte bezahlen müssen, um zur Plaza zu kommen … Mr. Chase und seine Frau hatten ihr ein Heim angeboten, aber sie hatte abgelehnt. Kendra ließ sie in dem Glauben, sie sei zu stolz und ziehe es vor, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Da die beiden den Calico-Palast mißbilligten, bewunderten sie Kendra ob ihres ›Mutes‹; sie glaubten, der Zwang nötige sie zur Arbeit. Doch war dies keineswegs der eigentliche Grund für Kendras Verhalten.
    Loren hatte nicht viel Geld hinterlassen. Alles, was er verdient hatte, war von ihm ausgegeben worden, um seiner Frau das Leben so schön wie nur möglich zu machen. Nie war ihm der Einfall gekommen, für die Zukunft vorzusorgen. Er war jung und kräftig; nie hatte ihn eine ernste Erkrankung heimgesucht. Er hatte auch gut verdient und mit einer Erhöhung seines Gehalts rechnen können. Er hatte Kendra geliebt, und sein größtes Vergnügen war es gewesen, ihr all das zu schenken, was sie seiner Meinung nach wünschte. Loren hatte keine Schulden gemacht, aber auch nicht gespart.
    Kendra erfuhr dies, als ein Junge ihr einen Brief des Agenten Norington brachte. Darin hieß es, daß die Miete fällig sei. Mr. Noringtons Schreiben war in unterwürfigem Ton abgefaßt. Er habe sie bisher nicht belästigen wollen, weil er ihre Trauer achte. Doch jetzt schreibe man März. Mr. Shields sei vor drei Monaten verstorben. Wenn ihm selbst das Haus gehörte, hätte er sich nicht an sie gewandt. Sie müsse jedoch einsehen, daß er die Interessen seines Klienten zu berücksichtigen habe, und dieser Klient sei Eigentümer des Hauses, in dem Kendra wohne. Also schuldete sie die Miete, und es beschämte sie, daran nicht gedacht zu haben. Eine Mahnung von zwei Zeilen hätte allerdings genügt. An dem Tag, als sie diesen Brief erhielt, ging sie mit Ralph den Berg hinab. Zunächst suchte sie den Laden auf. Mr. Chase öffnete Lorens Safe und stieß einen Schreckensschrei aus, als er sah, wie wenig

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