Alles Gold Der Erde
sich neben sie. »›Kannst du nicht!‹« wiederholte er zornig. »Genau das hat mein Vater in New York immer gesagt.«
»Aber, mein Lieber«, rief Marny amüsiert. »Worüber regst du dich denn auf? Du hast mir nie etwas von deinem Vater erzählt.«
»Du hast mich ja nie danach gefragt.«
Marny behielt ihre Ruhe. »Dwight, ich pflege meine Freunde nicht zu fragen, was sie getan haben, ehe ich sie kennenlernte. Die meisten Leute reden gern über sich selbst. Einige aber tun das nicht. Deshalb frage ich sie auch nicht aus. Aber ich mache mir so allerlei Gedanken.«
»Von diesen Gedanken erzählst du mir aber auch nie etwas«, bemerkte er lächelnd.
»Nein, ich wundere mich über die Menschen, die nach hier kamen, ehe der Goldrummel anfing. Über Menschen wie dich. Die andern, die erst ankamen, als das Gold entdeckt worden war, kann man leicht verstehen. Aber alle, die vorher da waren, hatten einen ganz privaten Grund. Jeder von uns ist aus einem ganz persönlichen Anlaß hier heraufgekommen. Weshalb ist Hiram Boyd als Matrose rund ums Kap Horn gesegelt? Weshalb hast du New York verlassen, um nach Honolulu zu reisen?« Sie lachte kurz auf. »Du brauchst es mir nicht zu verraten. Dwight.«
»Ich habe es dir ja bereits erzählt: Ärger in der Familie.«
Marny dachte an ihre eigene Familie. »Haben sie dich gepiesackt und herumkommandiert?«
»Nicht gerade das, aber ich war das schwarze Schaf. Wir waren drei Brüder. Ich war derjenige, der es angeblich nie zu etwas bringen würde. Ich wollte keinen guten Ruf annehmen. Mein Vater besaß einen Laden. Es war ein gutgehender Laden, den sein Vater gegründet hatte. Er wollte einige Filialen errichten. Er wollte, daß wir drei Brüder mit ihm zusammenarbeiten. Meine Brüder waren begeistert davon. Ich war es nicht. Ich wollte Architekt werden. Ich wollte selber etwas riskieren. Sie konnten nicht begreifen, daß ich mich auf etwas Unsicheres einließ, anstatt in das gute alte Familienunternehmen einzutreten, das allen Sicherheit bot.«
»Manche Leute lieben halt das Wagnis«, meinte Marny. »Andere wiederum nicht.«
Er nickte. »Und ich vermute, daß sie nie zueinander finden werden. Egal, ich bin an die pazifische Küste gegangen, damit ich machen konnte, was ich wollte.« – »Und keine guten Ratschläge mehr anzuhören brauchtest«, fügte sie hinzu.
»Eben. Ich bin nicht etwa davongelaufen. Ich habe mich auch nicht versteckt. Sie wissen, wo ich bin. Mein Vater schreibt mir hin und wieder. Er erkundigte sich dann, ob ich nicht bald genug Abenteuer erlebt habe und warum ich nicht in zivilisierte Gegenden zurückkehren wolle.«
»Glaubst du, daß du je wieder zurückgehst?« fragte Marny.
»Ja, eines Tages, aber jetzt noch nicht.«
Dwight schaute sie liebevoll an. »Zunächst werde ich einen feuerfesten Calico-Palast für dich bauen.«
»Für mich?« fragte sie zögernd. »Ja, meine liebe Marny, für dich.« Er lächelte selbstsicher. Auch Marny lächelte. Dwight meinte seine Worte ernst. Zumindest glaubte er dies. Er glaubte, er werde den Calico-Palast für sie bauen. Aber es ging dabei nicht um sie. Er baute den Calico-Palast für seinen Vater.
Für seinen Vater, dachte sie, für seinen Vater und für seine Brüder. Er wird erst dann heimkehren, wenn er ein feuerfestes Haus gewissermaßen als Triumph errichtet hat. Vielleicht sogar ein paar feuersichere Häuser. Wenn ihm das in San Francisco gelingt, wird es ihm auch in New York gelingen. Er wird es ihnen zeigen. Und sobald er diesen Triumph ganz sicher in Händen hat, wird er mich sitzenlassen und wieder nach Hause gehen.
Na schön, überlegte sie, das ist in Ordnung. Er ist so lange in Ordnung, als er nicht weiß, daß ich ihn durchschaut habe. Die Männer klagen so oft, daß Frauen sie nicht verstehen. Soll er sich doch auch beklagen. Nie, nie darf er dahinterkommen, daß ich ihn durchschaut habe.
Dwight ließ den Baugrund einebnen und Fundamente aus zugehauenen Steinen legen. Er versprach Norman und den Schwarzbärten, sie könnten den Ausschank eröffnen und in den kleinen Räumen dahinter wohnen, sobald er mit der ersten Etage fertig sei. Wenn er die zweite Etage vollendet habe, könnte Marny einziehen und ihren Spielsalon aufmachen.
Nachdem die Arbeiten am Calico-Palast begonnen hatten, widmete sich Dwight dem Bankhaus Hirams. Anfang Juni war der erste Stock des Spielkasinos so weit gediehen, daß Norman den Ausschank für das Publikum freigeben konnte. Rosabel blieb bei Kendra und half ihr beim
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