Alles Gold Der Erde
reizende Mädchen aus Hawaii, die wohl mit ihnen verheiratet waren.
Einer der Wagen gehörte Ning und Ted, in den beiden andern wurden Waren und Spielerausrüstung Marnys und ihrer Freunde transportiert. Pocket und Hiram, die wenig mit sich führten, hatten ihre Vorräte auf die Packpferde geladen. Ted erzählte Kendra, sie müsse reiten, während er und Ning abwechselnd die Wagen kutschierten. Zu Pferd kam man in Kalifornien am schnellsten voran, denn es gab keine Straßen, und wer in einem Wagen saß, wurde unbarmherzig durcheinander geschüttelt.
Abends nahm Ning sein Bettzeug und schlief im Freien, wie er es gewöhnt war. Ted und Kendra ließen die Vorhänge ihres Wagens herab und machten es sich gemütlich. Diese Vorhänge bestanden aus chinesischem Grasleinen. Sie waren fest und kunstvoll gewoben, so daß frische Luft eindringen konnte, Moskitos dagegen abgewehrt wurden.
Marny und Delbert ritten gleichfalls, die Schwarzbärte indessen lenkten ihre Wagen. Kendra sah Marny und Delbert zum erstenmal seit jener Begegnung im Laden wieder; ihre Helfer waren ihr noch gar nicht begegnet. Diese Schwarzbärte ähnelten einander so sehr, daß Kendra im ersten Moment glaubte, sie müßten Zwillinge sein (was sie denn auch in der Tat waren). Mit ihren schwarzen Mähnen, ihren dichten schwarzen Augenbrauen und ihren schwarzen Kinnbärten sahen sie geradezu furchterregend aus. Sie hätten die Söhne eines Piraten sein können. Ted sagte jedoch, ihr Vater sei ein Ladenbesitzer in New England mit dem schlichten Familiennamen Thompson gewesen, aber ihre romantisch veranlagte Mutter hatte sie auf die Vornamen Marmaduke und Murgatroyd taufen lassen. Marny, der es nach eingehendem Studium gelungen war, sie auseinanderzuhalten, rief sie Duke und Troy.
Kaum hatten sie ihre Flegeljahre hinter sich, da brachen sie auch schon zur Abenteuersuche in den Stillen Ozean auf. Offensichtlich hatten sie den Geschäftssinn ihres Vaters geerbt, nicht minder aber auch die romantische Ader ihrer Mutter. Jetzt waren sie die raffiniertesten Kartenspieler, die man sich vorstellen konnte. Beide hatten neben sich ein hawaiianisches Mädchen sitzen. Auch diese Mädchen machten mit ihren leuchtenden pechschwarzen Augen und ihrer goldfarbenen Haut Furore. Marny nannte die eine Lulu und die andere Lolo. Duke war der Beschützer von Lulu, Troy der von Lolo.
Die Männer trugen schwere Baumwollhemden und Reithosen aus Kordsamt. An ihren Gürteln baumelten Revolver. Kendra und Marny waren in Reitdreß aus kräftigem dunklem Tuch gekleidet. Ihre Hände wurden durch Handschuhe und ihre Augen durch breitkrempige Hüte geschützt. Die Mädchen aus Hawaii hatten bunte Chintzkleider an. Ihr Haar hielten sie durch Bänder zusammen.
Als alle da waren, ritt Ning auf einem schönen gefleckten Wallach hin und her, vergewisserte sich, daß alle Lasten fest verschnürt waren und die Pferde sich in gutem Zustand befanden.
»Ruhe, Leute!« kommandierte er sodann.
Während er mit seiner Reitpeitsche nacheinander auf jeden einzelnen deutete, rief er ihre Namen auf:
»Ted Parks? Mrs. Parks?«
Ted winkte vom Wagen herab, Kendra aus dem Sattel. Es gefiel ihr, ›Mrs. Parks‹ gerufen zu werden, denn dies gab ihr das Gefühl, willkommen zu sein. In dieser Gesellschaft hatte sie ihren Platz. Nie zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, einer Gruppe anzugehören oder irgendwohin zu gehören.
Ning wies jedem seinen Posten an. Als er Marnys Namen rief, ließ sie ihr fröhliches Lächeln aufblitzen und fragte:
»Wie geht's euch allen miteinander?«
Delbert, der auf einer Stute saß, die so schwarz war wie der Rappen des Fürsten der Finsternis, verbeugte sich formell und gelangweilt. Die Schwarzbärtigen nickten, die Mädchen von Hawaii hoben grüßend die Hände.
Dann stellte Ning Pocket und Hiram Boyd den andern vor. Pocket lächelte verschämt, als sei er nicht daran gewöhnt, in der Öffentlichkeit aufzufallen. Hiram zog seinen Hut und schwenkte ihn über dem Kopf wie der Anführer eines Begrüßungskomitees. Hiram war nicht gerade eine männliche Schönheit, aber er wirkte doch auf derbe Art recht anziehend mit seinen breiten Schultern. Seine gewaltigen Fäuste waren von Sturm und Sonne gegerbt. Seinen rostroten Bart hatte er bei einem Barbier in San Francisco zurückgelassen, doch zweifelte Kendra nicht daran, daß er bald wieder nachwachsen würde. Jetzt konnte sie sehen, daß er ein rauhes Gesicht mit starker Nase und vorspringendem Kinn hatte – manche Leute hätten
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