Alles Gold Der Erde
befreite.
Doch als Kendra sich dieses Bild ausmalte, verspürte sie einen Lachreiz. Denn Eva würde nie in eine solche Situation geraten. Nie hätte sie sich einer Gruppe angeschlossen, zu der Leute wie Marny und ihre Freunde zählten. Aber ich, dachte Kendra, ich bin nicht Eva. Ich bin ich. Also sagte sie:
»Vielen Dank. Ich würde es sehr gern benutzen. Aber was meinen Sie mit ›Badezimmer‹?«
Marny hob ihre Reitpeitsche. Kendra sah in der angegebenen Richtung einige Büsche, welche die Schwarzbärte mit Hilfe einer Plane umspannt hatten. Auf diese Plane waren in schwarzen Lettern die Worte ›Nur für Damen‹ gepinselt.
»Ich habe alle erforderlichen Utensilien«, erklärte Marny. »Auch ein Waschbecken ist dabei. Sie brauchen bloß Ihr Handtuch mitzubringen.«
So schnell sie konnte, nahm Kendra ein Handtuch aus ihrem Gepäck und kletterte wieder aus dem Wagen. »Was für eine gute Idee!« rief sie begeistert. »Wer ist denn darauf gekommen?«
»Ich«, antwortete Marny lächelnd, als wolle sie eigentlich sagen: ›Wer, glauben Sie, kommt denn außer mir auf die guten Ideen?‹
An der Plane waren Pflöcke befestigt, die jetzt im Erdreich steckten. Marny wies auf den Eingang:
»Gehen Sie zuerst hinein, Sie sind mein Gast.«
Dies war eine sonderbare Art, sich miteinander bekannt zu machen, doch miteinander bekannt waren sie nun ohne Zweifel. Kendra betrat das ›Badezimmer‹, und als sie wieder herauskam, sagte sie:
»Ich danke Ihnen vielmals.«
»Sie sind jederzeit willkommen. Bis später.«
Und somit waren sie Freundinnen geworden …
Kendra breitete ihr Handtuch zum Trocknen aus. Dann machte sie Feuer, holte Wasser am Bach und tat die Kaffeebohnen in ein Tuch, so daß sie sie zwischen zwei Steinen mahlen konnte, wie Ning es ihr gezeigt hatte. Während der Kaffee kochte, holte sie die Pfannen heraus, dicke Pfannen mit Holzgriffen, die bequem gehalten werden konnten, wenn man auf der Erde saß. Nachdem Kendra die Pfannen mit Rindfleisch, Brot, Oliven und getrockneten Feigen gefüllt hatte, rief sie: »Das Essen ist fertig.«
Während ihrer Arbeit hatte sie beobachtet, daß Delbert doch nicht so unnütz war, wie sie geglaubt hatte. Er und Pocket bewachten nämlich das Lager. Schweigend gingen sie mit schußbereiten Waffen auf und ab. Als Ning gegessen hatte, nahm er Pockets Platz ein, und einer der Schwarzbärte löste Delbert ab. Ning riet den übrigen, sich hinzulegen und auszuruhen.
Eine Stunde später ritten sie weiter. Als es dunkelte, richteten die Schwarzbärte wiederum das ›Badezimmer‹ her. Kendra sah, daß Ning einen Armvoll Brennholz herbeitrug. »Ich gehe jetzt und mache mein Feuer an«, sagte sie zu Marny.
»Sie taugen mehr als ich«, versetzte Marny. »Ich bin müde und werde mich ein wenig entspannen. Sie Ärmste aber müssen kochen.«
»Das macht mir nichts aus«, erwiderte Kendra, obwohl auch sie ermattet war. Ihre Reitlehrer hatten ihr einiges beigebracht, und dank der Berge von San Francisco hatten sich ihre Reitkünste verfeinert, freilich war sie nicht daran gewöhnt, den ganzen Tag im Sattel zu sitzen. Sie konnte sich eines neidischen Gefühls nicht erwehren, als sie ihr Gesicht über der schmorenden Pfanne fast versengte und Marny mit Delbert unter einem Baum sitzen sah, wo sie Wein schlürfte und Karten spielte, während Lulu und Lolo das Essen für sie kochten.
Aber jetzt kam Ted auf seinem Wachgang an ihr vorbei und flüsterte ihr zärtlich zu: »Du bist großartig, mein Schatz.« Kurz darauf traten die Männer ausgehungert ans Feuer. Kendra füllte ihre Pfannen mit Schinken, Apfelmus und Bratkartoffeln. Hiram grinste und meinte: »Das ist aber besser als die Kost, die ich sonst kriege.« Pocket versicherte: »Es schmeckt wirklich gut, Ma'am.« Und Ning beteuerte: »Ich hab' euch ja gleich gesagt, daß sie sehr nützlich sein wird.«
Und Kendra hätte ihren Platz mit niemandem auf Erden tauschen mögen.
In dieser Nacht schlief sie so tief, als habe sich ein schwarzer Vorhang über sie gesenkt. Am Morgen wurde sie von Ted geweckt, der ihr Ohrläppchen küßte, und sie sagte zu sich selbst: Ach, ich bin glücklich, glücklich, glücklich! Ich bin mit dem besten Mann der Welt verheiratet, und ich bin auf dem Weg zu einem Berg aus Gold …
Später ritt sie zu Marny. Mit ihr ließ sich leicht reden. »Haben Sie mich eigentlich damals in dem Laden bemerkt?« erkundigte sie sich neugierig.
»Aber ja. Es hat mir gefallen, daß Sie da waren. Sie haben ganz fasziniert
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