Alles Gold Der Erde
reden.
Pocket hatte Kendra und Marny viel von ihm erzählt. Sutter stammte aus der Schweiz und war vor neun Jahren in Kalifornien eingetroffen. Seine Taschen waren leer, sein Kopf aber war voll von grandiosen Visionen. Die mexikanische Regierung hatte ihm riesige Ländereien in der Wildnis überlassen. Hier hatte er sein Fort errichtet, den Grundstock zu seinem künftigen Reich.
Abgesehen davon wußte freilich niemand etwas von ihm. Er beherrschte zwar vier Sprachen und berichtete in allen vieren über sich, doch war er selten völlig nüchtern, und seine Geschichten klangen stets ein wenig berauscht. Er behauptete, aus einer angesehenen Schweizer Familie zu kommen, doch habe er wegen seiner liberalen Ideen aus der Heimat fliehen müssen. (Dies verdutzte alle Zuhörer, welche die Schweiz kannten. Sie meinten, noch nie hätten sie gehört, daß jemand aus diesem freien Land habe flüchten müssen, weil er ein offenes Wort gesprochen.)
Nach zahllosen Abenteuern, deren Gefahren er oft nur um Haaresbreite entronnen war, wollte Sutter der Leibgarde des Königs Karl X. von Frankreich angehört haben. (Von dieser Zeit plauderte er mit Vorliebe.) Bei der Verteidigung seines neuen Vaterlandes habe er in vielen Schlachten seinen Mann gestanden und auch viele Wunden davongetragen. (Er war jederzeit bereit, die Narben zu zeigen, doch fragten sich Skeptiker wiederum, um welche Schlachten es sich denn gehandelt haben mochte.) Das Unheil indessen wich ihm nicht von den Fersen. Die Revolution jagte Karl X. vom Thron, und von neuem – so erzählte Sutter – mußte er eine Heimat suchen. Nach weiteren Heldentaten hatte er zu guter Letzt Kalifornien erreicht. Und jetzt war er glücklich, seine Freunde begrüßen zu können, die in das Land rings um sein Fort kamen. Wenn sie in den Bergen nach Gold graben wollten – bitte sehr: Sie sollten sich nur nicht stören lassen.
Diese letzte Äußerung sei Geschwafel, erklärte Pocket. Die Wahrheit sehe anders aus: Als die Arbeiter des Sägewerks etwas gefunden hatten, das sie für Gold hielten, hatte Sutter einen seiner Angestellten zu Oberst Mason, dem Militärgouverneur von Kalifornien, geschickt und den Fund für sich selber beansprucht. Da das Gold jedoch auf staatlichem Boden entdeckt worden war, hatte sich der Oberst außerstande gesehen, es Sutter oder sonst jemandem zu übereignen. Der Angestellte ging darauf nach San Francisco und zeigte das Gold überall vor, bis er schließlich einen fand, der ihm glaubte; und die beiden begaben sich in die Berge, um zu ihrem eigenen Vorteil zu schürfen. (Der Name dieses Angestellten war Bennett, und Kendra erfuhr später, daß er jener Bursche war, von dem Morse und Vernon am Tage ihrer Ankunft erzählt hatten.)
»Man soll sich nicht weiter um Sutter kümmern«, meinte Pocket. »Man soll ihn reden lassen. Es macht ihm Spaß, und man kann ihm den Mund sowieso nicht verbieten. Wenn er sich einbildet, die Goldsucher seien mit seiner Erlaubnis da – nun, was schadet das schon? Er verdient eine Menge Geld, da die Leute ihren Goldstaub bei ihm lassen.«
Sutter kam mit zweien seiner Helfer angeritten, zog seinen Hut und winkte. Pocket hieß er laut willkommen. Auf geräuschvolle Weise gab er bekannt, daß er sich freue, den Schwarzbart kennenzulernen, während er sich vor Marny und Kendra tief verneigte und behauptete, es sei ihm ein Genuß, derart schöne Damen begrüßen zu dürfen. Hiram schwamm mit den Pferden über den Fluß; dann kehrte er zusammen mit den Mormonen zurück. Sutter hingegen, der mit voller Lungenkraft sprach, gab den Frauen und ihren Reisegenossen das Geleit in die schlichte Pracht seiner Domäne.
Sie hatten bereits bemerkt, daß der Sacramento River nach Süden floß. Jetzt sahen sie, daß ein anderer Strom, der American River, von den Bergen herabkam und fast im rechten Winkel in den Sacramento mündete. Wo sich die beiden Flüsse vereinigten, stand Sutters Fort, und zwar weit genug von den Ufern entfernt, so daß es bei Überflutungen sicher war.
Sutter hatte ein mehr als hundertfünfzig Meter langes und mehr als fünfzig Meter breites Rechteck markiert und darum eine hohe weißgekalkte Backsteinmauer errichten lassen, die einen Meter dick war. Dann folgte eine zweite Mauer, mit der äußeren durch ein Dach verbunden. In den unterteilten Räumen waren die Wohnungen der Wächter und die Werkstätten der Arbeiter.
Der Haupteingang zu Sutters Anwesen war breit genug, um einen Planwagen einzulassen; dennoch war es
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