Alles Gold Der Erde
einrichten.
Bei dem Wort Kochen wurde Kendra sich wieder ihrer Müdigkeit bewußt. Es stimmte ja: Sie hatte noch Arbeit, aber sie war so zerschlagen, daß sie sich geradezu vor dem Essenmachen fürchtete. Ted schob Holzklötze vor die Räder ihres Wagens. Hiram war ihr beim Absteigen behilflich.
»Geben Sie uns heute nur ein kaltes Essen«, sagte er dabei. Sie stutzte. »Was meinen Sie?«
»Ich habe mit Ning gesprochen«, erwiderte Hiram, »und er ist auch meiner Meinung: Gesalzenes Rindfleisch, Zwieback und ein paar getrocknete Früchte genügen. Wir sind so hungrig, daß uns das wie ein Festessen schmecken wird. Kochen Sie nichts, außer Kaffee.« Kendra seufzte dankbar. »Zum Ausgleich werde ich morgen ein prachtvolles Frühstück machen, Hiram.«
Marny teilte ihr mit, sie habe einen Platz für das ›Badezimmer‹ entdeckt. Kendra war in etwas besserer Stimmung, nachdem sie sich gewaschen hatte. Dann kniete sie nieder, um das Feuer anzuzünden. Als sie den Kaffeetopf aufgestellt hatte, streckte sie ihre verkrampften Beine und schaute hinab in die Schlucht. Die Goldgräber hatten für heute Schluß gemacht. Das Wasser rauschte in der Tiefe. Weiter flußabwärts konnte sie Pfade erkennen, die von den Männern in das Dickicht geschlagen worden waren, um schneller an den Strom zu gelangen, dessen Bett das Gold enthielt.
Kendra hob den Blick und betrachtete ihre nächste Umgebung. Wo die Berge sie trafen, banden Ted und Hiram gerade die Pferde an. Lulu und Lolo waren an ihrem Feuer beschäftigt. Die Schwarzbärte blockierten die Räder ihres Wagens. Marny und Delbert standen in der Nähe und musterten das Terrain. Kein Zweifel: Sie überlegten, an welchem Platz sie ihr Zelt aufschlagen sollten.
Schon fühlte sich Kendra weniger matt als vorhin. Es gefällt mir hier, sagte sie zu sich selbst. Ich habe Freunde. Ich gehöre zu ihnen. Was auch geschehen mag: Ich werde mich nie wieder einsam fühlen. Und sie stampfte mit dem Fuß auf.
Ich werde mich nie wieder einsam fühlen, wiederholte sie. Ich werde schuften müssen, aber ich werde nicht mehr einsam sein. Staub und Müdigkeit – das alles ist mir egal. Jetzt erst fange ich zu leben an, und ich werde leben. Ich werde jede Minute meines Lebens auskosten.
Und sie stampfte abermals mit dem Fuß auf. Diesmal stampfte sie jedoch so heftig auf, daß der Rand der Schlucht unter ihr nachgab. Sie fiel.
Über sich hörte sie Marny schreien, aber sie nahm den Schrei kaum zur Kenntnis. Das Entsetzen durchzuckte sie bei diesem jähen Sturz. Die Erde – feucht von der Schneeschmelze – war noch sehr weich. Als Kendra hinabglitt, lösten sich Steine, Klumpen und Schößlinge; statt ihr einen Halt zu geben, sauste alles kunterbunt hinter ihr drein. Sie spürte, wie sie aufschlug, und sie hörte, wie ihr Kleid riß. Ihre Knie und Ellbogen wurden wundgescheuert, Schmutz füllte ihre Augen, ihren Mund und ihre Nase. Ein Busch verfing sich im Kragen ihres Kleides. Durch den Ruck wurde sie beinahe stranguliert.
Doch dies gab ihr einen Aufschub. Sie konnte fast nicht mehr stehen, aber sie tastete blindlings mit ihren aufgeschürften Händen nach dem Busch und klammerte sich verzweifelt an die Zweige. Zum Glück war dieser Busch schon alt und sein Wurzelwerk fest. Sie schöpfte Atem.
Jetzt vernahm sie Stimmen. Obgleich sie noch zu verwirrt war, um die Worte zu verstehen, beruhigten die Laute sie doch ein wenig. Irgendwie würden die Freunde ihr zu Hilfe kommen – wenn sie nur lange genug an diesem Busch aushielt. Aber, fragte sie sich voller Angst, konnte sie denn aushalten? Sie hing an ihren blutenden Händen. Der Kragen ihres Kleides drückte schmerzhaft. Sie machte sich selber Mut und blickte nach unten. Nicht weit von ihren baumelnden Füßen entfernt ragte eine Felsbank aus dem Abhang. Dieser Vorsprung war nur einen Meter breit, aber er sah aus, als sei er massiv.
Kendra hörte ihr würgendes Keuchen. Sie hörte aber auch ein anderes Geräusch: Die Wurzeln des Busches steckten zwar noch fest im Boden; die Zweige, an denen sie schaukelte, brachen jedoch unter ihrem Gewicht. Sie nahm die Unterlippe zwischen ihre Zähne, löste die Hände von den Zweigen, ließ sich fallen und stürzte auf den Vorsprung, wo sie erschöpft zusammensackte. Jetzt hatte sie wenigstens wieder festen Boden unten den Füßen.
Eine Weile vermochte sie gar nichts zu tun. Steine, Staub und Erdbrocken waren hinter ihr herabgepoltert und bedeckten sie nun. Ihr war, als sei jedes Organ in ihrem
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