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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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nicht unumgänglich war. Sie verstand dies nun besser als damals.
    »Ja«, sagte sie, »ich weiß.«
    »Und nachts war meine Kajüte dunkel und stickig, und ich fand keinen Schlaf. Wenn ich nicht schlafen konnte, zog ich einen Morgenrock an und setzte mich in der Kabine unter das Oberlicht. Dort war es heller, und ich konnte die Sterne beobachten und die Männer auf Deck hören und den Mond heraufkommen sehen. Der Mond war schön. Mit jeder Nacht wurde er größer. Nach einer Weile wurde ich dann schläfrig und ging wieder ins Bett. Ich bin nie jemandem zur Last gefallen.« Im schwachen Licht der Kerze hörte sich Marnys Erzählung recht harmlos an.
    »Dann, eines Nachts, kam Captain Pollock in die Kabine. Er hatte nicht damit gerechnet, mich dort zu finden. Er blieb stehen. Er sah mich an, und ich sah ihn an. Wir konnten uns gegenseitig sehr gut erkennen. Er war angezogen, trug aber keine Jacke, und sein Hemd war am Hals offen, wodurch er anders wirkte – Sie wissen ja, wie formell er sich den ganzen Tag über gibt. Ich saß direkt unter dem Oberlicht, und das Mondlicht fiel herab. Und mein Haar war gelöst, und ich hatte nichts an außer einem Nachthemd und dem seidenen Morgenrock darüber …«
    Marny hielt inne. Kendra konnte sie sich vorstellen mit ihrem schimmernden Haar und ihren grünen Augen, die im Mondschein glitzerten.
    »So also hat die Sache angefangen. Ich habe gesagt – ach, was man eben bei solchen Anlässen sagt; hinterher erinnert man sich nie mehr daran.«
    Marny wandte sich um und blickte beim Flackern der Kerze Kendra fest an. »Das hatte ich wirklich nicht im Sinn gehabt, als ich auf die Cynthia ging.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Kendra. »Gib es denn Leute, die solche Sachen planen?«
    Leise lachend schüttelte Marny den Kopf. »Nun, am nächsten Morgen wurde ich vom Sturm geweckt, der in den Segeln tobte. Das Schiff schlingerte wie verrückt. Der Sturm hatte eingesetzt.« Sie schüttelte sich. »Jetzt wurde ich tatsächlich seekrank, und ich habe mich fast zu Tode geängstigt. Und dann hat dieser Narr behauptet, ich hätte den Sturm verursacht! Hält er mich denn für eine Hexe?«
    Kendra empfand das nämliche Unbehagen, das sie immer empfand, wenn diese Marotte des Kapitäns zur Sprache kam, aber sie wollte das nicht zugeben. Statt dessen meinte sie:
    »Hoffen wir, er macht ein Millionengeschäft in China und kehrt nach New York zurück und bleibt künftig dort.«
    »Gut.« Marny gähnte. »Unterdessen wollen wir uns aber schlafen legen.«
    Sie hatten sich nicht ausgezogen; doch jetzt, da alles still blieb, fanden sie, daß sie unbesorgt in ihren Hemden schlafen könnten. Also legten sie ihre Kleider auf die Theke, so daß sie im Handumdrehen übergestreift werden konnten, und krochen dann unter die Decke. Von draußen vernahmen sie Delberts stetigen Schritt.
    »Er ist ein zuverlässiger Wächter«, sagte Kendra. »Delbert liebt das Geld.«
    Kendra fragte unvermittelt:
    »Marny, lieben sie ihn eigentlich?«
    Ein Lachen antwortete ihr. »Guter Himmel, nein. Ich bin doch keine derartige Närrin.«
    »Aber … warum haben Sie ihn dann gern?«
    In der Dunkelheit klang Marnys Lachen sanft. »Nun, auch ich liebe das Geld«, gestand sie aufrichtig. Nach einem Moment fügte sie hinzu: »Und Delbert ist kein Schwätzer, Kendra. Meine ganze Familie hat immerzu geschwätzt. Sie haben über die Zeitläufe geschwätzt. Sie haben über alte und neue Sprachen geschwätzt. Sie haben von den Griechen der Antike bis zur Morgenzeitung schlechterdings alles zitiert. Sie haben mit mir gesprochen. Sie haben auf mich eingesprochen. Sie haben über mich gesprochen. ›Warum bist du nicht so wie wir andern? Was soll bloß aus dir werden? Ach, was fangen wir nur mit diesem Mädchen an?‹ Es ist ein wahres Labsal, mit einem Menschen zusammen zu leben, der sich keinen Pfifferling darum schert, was aus mir wird, und der seinen Mund hält.« Wiederum nach einer Pause schloß Marny:
    »Außerdem, meine Liebe – na, Sie wissen ja wohl, wie das zwischen Mann und Frau zugeht. Nun, auch dabei ist er ganz brauchbar. Aber schlafen Sie jetzt.«

21
    Nicht allen Abs war es geglückt, etwas von Crawfords Schnaps zu erwischen. Die Erfolgreichen aber waren vor Tagesanbruch trunken und betäubt. Um keinerlei Risiko einzugehen, harrten die Wächter jedoch aus, bis die Sonne aufging. Mit roten Augen, müde und wütend kamen sie dann zurück. Sie mußten jetzt schlafen, und das hieß, daß sie einen Tag verloren hatten:

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