Alles Gold Der Erde
schneiden und sich rasieren lassen. Die Männer schnitten sich gegenseitig die Haare, wenn sie so lang geworden waren, daß sie ihnen lästig wurden, aber das war ein recht ungeschicktes Schnippeln, und Ted hatte seit ihrer Abreise aus San Francisco vor zwei Monaten kein Rasiermesser mehr benutzt. Sein Bart war beinahe drei Zentimeter lang; er wuchs nach allen Richtungen. Nun aber war endlich ein Barbier nach Shiny Gulch gekommen und hatte die Nachricht verbreitet, er werde an den Wochentagen Gold auswaschen, an Sonntagen indessen seinen Gewinn durchs Barbieren aufbessern.
Ted äußerte Bedenken: »Warum soll ich mich rasieren lassen? Der Mann wird einen unerhörten Preis fordern, und mein Bart wächst sowieso wieder nach.«
Kendra beharrte:
»Ja, wenn du so einen hübschen gepflegten Bart wie Delbert hättest …«
»Mein Liebling«, belehrte sie Ted und rekelte sich faul, »das macht genausoviel Arbeit wie eine glatte Rasur.«
»Dein Kopf sieht aber wie ein Strohbüschel mit Augen drin aus. Und wenn du mich küßt, reißt du mir beinahe die Haut ab.«
»Aber Schatz, es ist doch ganz natürlich für einen Mann, daß er einen Bart hat.«
»Wenn du am Sonntagmorgen zu dem Barbier gehst, werde ich ein sauberes Baumwollhemd für dich parat haben.«
»Es wäre mir lieber, du würdest mir neue Stiefel geben.«
»Sie bringen doch welche vom Fort mit«, sagte Kendra. »Geh am Sonntagmorgen zum Barbier, und am Mittag werde ich ein Festessen kochen.«
Nach einigen weiteren Protesten gab Ted nach. Kendra kam allmählich dahinter, daß Ted immer nachgab, wenn sie sich ernstlich zu etwas entschlossen hatte – wie es ja auch mit ihrer Heirat gewesen war. Es kam zwar selten vor, daß sie nicht einer Meinung waren, doch wenn dies einmal geschah, setzte sie sich durch – und das gefiel ihr.
Am Sonntag richtete der Barbier seinen ›Laden‹ unter einem Baum ein. Als Stuhl mußte ein gefällter Stamm herhalten. Sein Streichriemen hing an einem Ast, und an einen anderen Baum hatte er einen zerbrochenen Spiegel gelehnt, so daß seine Kunden die Verwandlung ihres Gesichtes verfolgen konnten. Viele spotteten über den Einfall, sich in der Wildnis zurechtstutzen zu lassen, andern machte es Spaß, und die meisten der verheirateten Männer gingen – wie Ted – zu dem Barbier, ob sie es nun gern taten oder nicht. Rasiert, geschoren und in sauberem Hemd sah Ted gut aus, als er zum Feuer zurückkam, wo Kendra das versprochene Essen zubereitete.
Ning strich über sein stoppeliges Kinn und meinte: »Vielleicht werde auch ich einmal zu diesem Barbier gehen.« Kendra bewunderte ihren Mann. »Jetzt bist du genauso wie an dem Tag, als ich dich zum erstenmal sah.«
Er lächelte in ihr glückliches Gesicht hinein. »Und du bist die hübscheste Frau hier.«
»O nein, das bin ich nicht. Ich bin so braun wie eine Haselnuß, ich habe einen Sonnenhut auf dem Kopf und ein abgetragenes Kleid an, und diese derben Schuhe da …«
»Was diese Sonnenbräune anlangt«, fiel ihr Ted ins Wort, »deine Augen sind tatsächlich blau wie Saphire, und wenn du dich über den Kessel beugst, bist du so anmutig wie eine Blume.« Er schnupperte. »Und kochen kannst du auch.«
Ihr Mahl war lecker. Als sie fertig waren, streckten sich Ted und Ning mit den Hüten über ihren Gesichtern im Gras aus. Kendra ließ sich unter einem Baum nieder und betrachtete in der Nachmittagshitze das sonntägliche Lagerleben. Einige Männer dösten, andere wuschen ihre Anzüge, wieder andere gingen in den Calico-Palast. Ein Einzelgänger spielte ganz für sich auf einem flachen Stein. Ein Mann saß auf einem Baumstamm und las in der Bibel. Die meisten der Frauen standen beisammen und hielten einen Schwatz. Manche prahlten mit dem vielen Gold, das ihre Männer in der vergangenen Woche geschürft hatten. Zwei kleine Mädchen wiegten ihre Puppen, die sie aus Reisig gebastelt hatten. Ein Stück weiter abwärts, zwischen Kendra und dem Calico-Palast, kauerte Orville Posey und sah einer Schar Buben zu, die Bockspringen veranstalteten. Er schien seinen Spaß daran zu haben. Kendra machte es gleichfalls Freude.
Doch dann sah Kendra plötzlich Mrs. Posey herankommen.
Sie hatte ihre Kochtöpfe in einem Teich gesäubert, in den das Wasser mit solcher Wucht über Felsen schoß, daß sie selber kaum noch Hand anlegen mußte. Jetzt war sie auf dem Wege zu Orville. Als sie in die Nähe von Kendra kam, blieb sie stehen und blickte mißbilligend auf die lärmenden Kinder. Mrs. Posey,
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