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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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jemals gewesen war. Wenn Ted ihr die volle Wahrheit gebeichtet hätte, wäre sie dann mit ihm zur Trauung gegangen und mit ihm in die Goldberge geritten? Hätte sie dies getan – mit dem Wissen, daß er nicht nur eine Frau, sondern auch zwei Kinder hatte sitzenlassen; mit dem Wissen, daß ihre Heirat fast sicher ungesetzlich war, daß jeden Tag jemand aus New York kommen und ihn erkennen konnte … hätte sie es dennoch getan?
    Nach einer langen Pause sagte sie langsam und deutlich:
    »Ja, ich glaube, ich hätte es getan.«
    Ted fuhr erstaunt auf. »Warum bist du dann jetzt so zornig auf mich?«
    »Weil du mir nicht die Gelegenheit zur Wahl gegeben hast! Du hast mir nicht die Wahrheit gesagt. Du hast keinen …« Sie suchte nach dem Ausdruck, mit dem Marny sie aufgezogen hatte, weil sie ihn nicht verwendete. Endlich fand sie ihn: »Du hast keinen Mumm.«
    Noch immer verwirrt, schüttelte Ted den Kopf. Kendra sprach weiter:
    »Wenn du mir doch nur die Wahrheit gesagt hättest – ach, ich habe dich ja so geliebt, ich habe mich so nach dir gesehnt. Ich glaube, ich hätte dir gestanden: ›Ja, ich mache es. Es geht keinen Menschen außer mir etwas an. Es ist falsch, und vielleicht ruiniere ich mein Leben, aber ich will es nun einmal so.‹«
    Sie holte tief Atem.
    »Aber du hast mir nicht die Wahrheit erzählt. Du hast dich ebenso nach mir gesehnt, wie ich mich nach dir gesehnt habe. Aber du hast mich nicht lieb genug gehabt, um mich freiwillig entscheiden zu lassen. Verstehst du denn nicht?«
    Bis zum Ende ihres Lebens sollte Kendra nicht erfahren, ob Ted sie verstanden hatte. Er vermochte nicht zu antworten. Während sie sprach, war ihr Zorn noch gewachsen. Jetzt sprach sie scharf und verächtlich:
    »Du bist ein Mensch, der alles nur halb macht. Und das kann ich nicht ausstehen. Eine Jacke mit einem Ärmel, ein Haus ohne Dach, eine Brücke, die mitten im Fluß endet – wer will mit solchen Dingen etwas zu tun haben? Die Dinge taugen nichts, wenn sie nicht ganz getan werden.«
    »Was macht dich nur so unbarmherzig?« bat er. »Kendra, ich habe dich doch geliebt! Ich habe versucht, dir beizubringen, daß …«
    »Du hast es nicht im Ernst versucht. Und was immer du versucht haben magst, jetzt kannst du damit aufhören. Ich bin nicht mit dir verheiratet, und ich bin fertig mit dir. Wenn du glaubst, ich schlafe heute nacht mit dir im Wagen oder sonstwo, dann irrst du dich. Ich brauche das nicht, und ich will es auch nicht.«
    »Nein, das brauchst du nicht«, entgegnete er mit einem müden Seufzer. »Was verlangst du also von mir?«
    »Laß mich allein!« schrie sie. »Hör mit deinen Erklärungen auf! Laß mich doch bloß allein!«
    Er drehte sich um und trat in den Schatten der Bäume.
    Das war gestern abend geschehen.
    Nun mußte sie mit dem heutigen Tag fertig werden. Nun saß sie unter einem Baum, hörte die Vögel und die Eichhörnchen, spürte die Hitze und fragte sich, was sie als nächstes zu tun hatte.
    Es blieb ihr nur eines übrig: Sie mußte nach San Francisco zurückkehren und ihrer Mutter und ihrem Stiefvater berichten, was für einen fürchterlichen Bock sie geschossen hatte, und sie mußte darum bitten, daß die beiden sie wieder bei sich aufnahmen.
    Mein Gott! dachte sie, wie schrecklich wird das sein! Aber wohin sonst kann ich gehen?
    Sieh immer nur einem Problem ins Auge, sagte sie sich. Das erste Problem hieß: Wie kam sie wieder nach San Francisco? Sie mußte noch ein Gespräch mit Ted erdulden, um diese Frage zu klären. Noch ein Gespräch – und dann würden sie einander Lebewohl sagen.
    »Ach, Ted«, murmelte sie, und ihre Stimme brach in einem Schluchzen ab. Es war das erste Mal, daß sie heute laut sprach. Als sie ihre eigenen Worte vernahm, glaubte sie, es seien zwei Wunden, die sie schmerzten. Die eine war die Wahrheit über Ted, die andere ihre Erinnerung an das Glück, das sie gemeinsam erlebt hatten. Beide Gefühle waren gleich stark, sie wohnten dicht beieinander, sie fochten Kämpfe in ihrem Innern aus. Sie haßte Ted, weil er ihr das angetan hatte – aber sie hatte ihn doch geliebt, und jetzt fand sie heraus, daß die Liebe nicht verging, wenn sie vergehen sollte.
    Plötzlich nahm sie wahr, daß die Luft nach Kaffee, Schinken und Roastbeef roch. Es war bereits Mittag, und die Männer kochten ihr Essen. Ihr fiel ein, daß sie ja seit jenem Sonntagsmittagessen nichts mehr zu sich genommen hatte. War das denn wirklich erst gestern gewesen? Am Abend hatte sie nichts essen wollen,

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