Alles Gold Der Erde
konnte. Dann trieb sie ihr Pferd an die Seite von Kendra und sagte leise:
»Kendra, auf dieser Reise müssen Sie etwas für mich tun.«
»Natürlich«, erwiderte Kendra. »Was wünschen Sie denn?«
Marny zeigte einen grimmigen Humor. »Ich brauche eine Anstandsdame.«
»Wozu, um Himmels willen?«
»Kendra, tun Sie doch nicht so, als wären Sie ein ungeborenes Kälbchen. Ich bin noch immer außer mir wegen Delbert und nicht in der Stimmung, mich mit einem Mann zu beschäftigen. Pocket und Hiram sind großartige Burschen, aber sie sind nun mal Männer. Auch Ning ist ein Mann. Wenn wir unser Bettzeug ausbreiten, dann bleiben Sie bei mir. Bleiben Sie Tag und Nacht bei mir während dieses Ritts. Ich will keinen Ärger haben.«
Kendra blickte zu Pocket und Hiram hinüber, die sich um die Packpferde zu kümmern hatten. Das trockene Unkraut brach unter den Pferdehufen.
»Glauben Sie denn im Ernst, Marny, sie werden uns belästigen?«
»Sie nicht, meine Liebe. Ihnen würden sie höchstens die Heirat antragen, und ich glaube nicht, daß einer von ihnen ans Heiraten denkt. Aber ich bin ein Frauenzimmer.«
»Das sind Sie nicht!« rief Kendra aus. »Sie sind ein anständiger Mensch. Warum nehmen Sie dann ein solch häßliches Wort in den Mund?«
Marny schaute sie spöttisch und ernst zugleich an. »Du liebe Zeit! Ich dachte, gerade dieses Wort sei wirklich kultiviert.«
Kendra mußte über sich selber lachen und versprach, bei ihr zu bleiben. Nach dem Abendessen legte sie ihr Bettzeug neben das von Marny. Die Männer hielten abwechselnd Wache, und sobald einer abgelöst wurde, sank er zu Boden und schlief sofort ein. Diese Müdigkeit, so bemerkte Marny am Morgen, als Kendra Kaffee kochte, sei wohl ein Grund dafür, daß sie beide einen ungestörten Schlaf gehabt hätten.
An diesem Nachmittag erreichten sie Mormon Island, das jetzt ein lärmerfülltes Lager mit etwa zweihundert Männern und einigen Frauen war. Am Tag darauf ritten sie nach Sutters Fort. Auch hier sah es nun anders aus als früher. Sie waren noch ein ganzes Stück entfernt, als sie bereits die dichten Staubwolken wahrnahmen, die wie ein Vorhang die Mauern verhüllten. Sie hörten Schreie, Schüsse, Viehgebrülle, und als sie schließlich durch die Staubwolke ritten, sahen sie sich inmitten eines Tumults, den Männer, Frauen, Maultiere und Fliegenschwärme veranstalteten. Die meisten der Männer und nicht wenige Frauen waren betrunken. Zumindest ließen ihr Singen, ihr Taumeln und ihr Krakeelen darauf schließen, daß sie betrunken waren. Kendra sah, daß Marny nach ihrer Waffe griff, und wünschte, sie hätte selbst eine.
Ning erklärte, sie würden sich nicht in das Fort begeben, sondern direkt zu dem Laden reiten, um Nahrung für sich und Futter für ihre Pferde zu kaufen. Mit Ning an der Spitze bahnten sie sich einen Weg durch das Tohuwabohu. Die Schwarzbärte beschützten wütend ihre hawaiianischen Mädchen, während Pocket und Hiram mit schußbereiten Waffen dicht neben Marny und Kendra ritten.
Sie kamen an sogenannten Handelsniederlassungen vorbei. Es waren unfertige Hütten oder Zelte, manchmal aber auch bloß Theken, die man kurzerhand im Freien aufgestellt hatte. Die Mehrzahl der Händler befaßte sich offenbar lediglich mit dem Verkauf von Schnaps. Die Flaschen lagen zuhauf. Fliegen schwirrten darüber, und Wanzen krochen herum. Männer saßen oder lagen in den verschiedensten Stadien der Trunkenheit auf der Erde. Sie fingen zu grölen an, als sie der Frauen ansichtig wurden. Einige schrien:
»He, ihr Schönen!«
Andere bedienten sich dabei häßlicher Redensarten, die Kendra nie zuvor vernommen und die sie nie wieder zu hören hoffte.
Als sie jedoch am Ende den Laden von Smith und Brannan erreichten, glich der einer Oase der Stille. Das Gebäude war schon immer trutzig gewesen, jetzt aber waren die Fenster zusätzlich mit Holzstangen und Läden gesichert, die man abschließen konnte. Am Eingang stand ein Wächter mit einem Revolver in der Hand. Die Männer, die hier aus- und eingingen, wirkten solide. Einige gaben Frauen das Geleit.
Ning instruierte seine Begleiter. Hiram und die Schwarzbärte, sowie Lulu und Lolo, sollten draußen bleiben, um auf die Pferde und das Gepäck aufzupassen. »Pocket und ich gehen mit den beiden Damen rein und erkundigen uns nach Futter und etwas Kochbarem für Miß Kendra. Und dann werden wir Wache halten, während ihr reingeht und euch die Sächelchen aussucht, die ihr nötig habt.«
Sie stimmten zu. Die
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