Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano

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Wangen zurücklassen.«Sie sind ein Schurke», murmelte er, und ich sah, dass er es unterließ, die Pistolentasche zu öffnen. Ich erwiderte, das sei mir gleichgültig, er solle mir das Geld lassen, sonst würde ich reden. Vielleicht würde man die Gelegenheit benutzen, ein Exempel zu statuieren. Ich spürte in meinen Worten eine Überzeugungskraft, die ihn zum Nachdenken bringen sollte.
    Stattdessen setzte er sich aufs Trittbrett und lächelte. Zum ersten Mal lächelte er. Er sah mich an und lächelte, als genieße er seinen Sieg im Voraus.«Gut», sagte er schließlich,«nehmen Sie’s nur. Aber Sie werden nicht abreisen, mit keinem Dampfer.»
    «Dampfer gibt’s viele», erwiderte ich, denn seine Ironie reizte mich.
    «Aber keinen für Sie», wiederholte er, immer noch lächelnd und die Worte betonend.«Auch nicht den kleinsten und wackligsten Frachter.»Und er sah mich starr und ruhig an und wartete
darauf, dass ich den Tornister öffnete und ihm das Geld zurückgäbe.
    Diese Worte sagten mir, dass er alles wusste und nur, weil er’s nicht glaubte, nicht früher darauf angespielt hatte. Doch jetzt besaß er die Beweise. Mariam also. Jetzt begriff ich den Sinn ihrer gemurmelten Worte. Die Rechnung ging auf, und alle Mariams waren sich einig. Aber ich hatte die Schraubenmutter in der Tasche.
    Der Major wartete.«Gut», sagte ich,«wollen Sie mich anzeigen?»Er nickte feierlich mit dem Kopf und sah mir dabei fest in die Augen. Dann fügte er hinzu:«Ich glaubte, es seien nur Bosheiten, Klatsch. Ich bin zu arglos gewesen, aber das ist gleichgültig. Ich kenne Ihren Namen, besser als Sie glauben.»
    Und da ich unsicher war, leuchtete sein Gesicht auf vor Verschlagenheit, dieser Verschlagenheit, die ich seit jeher so verabscheute und die er, wie ein schlechter Schauspieler, nicht zu verbergen vermochte, und er sagte:«Warum lassen Sie so viele Briefe herumliegen?»
    «Tun Sie’s ruhig, auch ich zeige Sie an.»Doch ich sagte es leise und tat so, als sei ich beunruhigt, um ihn nicht merken zu lassen, dass mein Spiel allzu vollkommen war.«Aber Sie werden mich nicht anzeigen», fügte ich hinzu.«Sie werden noch weitere Kisten stehlen, und mit einer einzigen
Fahrt werden Sie den Schaden wiedergutmachen. »Ich sagte es beinahe flehend.
    «Nein», entgegnete er eigensinnig,«ich zeige Sie an.»
    Ich aber fühlte die Schraubenmutter durch den Stoff.«Überlegen Sie sich’s, bevor Sie’s tun», sagte ich. Ich musste an mich halten, um nicht zu lachen.
    Er schüttelte den Kopf, zuckte mit den Achseln.«Warum sollte ich’s mir überlegen?»Als ich die Bemerkung machte, dass die Anzeige ihm nicht gut bekommen würde, erhob er sich und sagte:«Das werden wir sehen.»Dann trat er rasch auf mich zu; ich glaubte, er wolle mich schlagen, ja, er schien zu allem entschlossen, doch er hielt sich zurück.«Schurke», brüllte er. Ich antwortete nicht; ich hielt es sogar für günstig, dass er sich Luft machte.
    Er stieg eilig in sein Lastauto, schlug die Wagentür zu und sagte:«Ich bin nur neugierig, wohin Sie gehen werden.»Dann, ohne die Antwort abzuwarten, brach er in Lachen aus und fügte hinzu:«Schöne Sommerferien.»
    Nun lachte auch ich, und als der Lastwagen anfuhr, entbot ich ganz automatisch den militärischen Gruß. Und ich lachte immerfort, von einer Heiterkeit gepackt, die mich erleichterte. Vom Major blieb mir dieses lächelnde Bild und dieser
Wunsch, der so manches Mal beim Warten auf den Zug, beim wiederholten Abschiednehmen, während der Umarmungen und Ermahnungen ausgesprochen wird. So fuhr er los, und schon rächte er sich.
    Ich sah das Auto, wie es die Fahrt beschleunigte, und ich war nicht imstande, meine Augen davon abzuwenden; ich dachte, es würde in der ersten Kehre abstürzen, in derselben Kehre, in der ich vier Monate zuvor umgekippt war. Eine Übereinstimmung, die ich erwartete. Ich sah also den Lastwagen, wie er sich hüpfend entfernte, denn er war leer, genau wie damals der meine, und ich wartete, dass er die erste Kurve unten am Ende des steilen Straßenstücks in Angriff nähme. Der Lastwagen fuhr, der Major verließ sich auf die Bremsen, und tatsächlich, die Bremsen funktionierten. Aber das Rad würde nicht funktionieren, und die Anzeige würde in den Gedanken des Majors bleiben, in seinen letzten Gedanken, die wenige Tage danach die Würmer fressen würden.«Leben Sie wohl, Major», sagte ich. Ich war traurig.
    Der Lastwagen näherte sich der Kurve, er fuhr langsamer, vorsichtig, und ich sah ihn