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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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hinter der Böschung verschwinden, ganz langsam.«Also bei der nächsten», dachte ich. Außerstande umzukehren und entschlossen, den Sturz mit anzusehen,
rannte ich zur Straßenbiegung. Der Lastwagen fuhr immer noch auf der Straße, die Entfernung ließ ihn kleiner erscheinen, fast wie das Spielzeug, das ich mir vorgestellt hatte. Er sprang über die Löcher im Boden, aber er rollte, eine Wolke von rosa Staub hinter sich. Ich sah ihn, wie er hinter einer weiteren Kurve verschwand, eingehüllt in seinen Staub.
    Zweifel kamen in mir auf, und ich nahm die Schraubenmutter aus der Tasche, um mich zu vergewissern, dass ich sie abgeschraubt hatte; und dabei fragte ich mich, wieso die Schraube immer noch hielt. Dann sagte ich mir, dass es ganz gewiss geschehen würde; auf dieser Straße gab es bis zum Fluss hinunter an die hundert Kurven, und sehr viel gefährlichere als die erste. Die Schraube würde abspringen. Der Lastwagen durfte nicht bis zum Fluss gelangen. Wenn er bis dorthin käme, konnte der Major die Kontrollstellen und die Bezirkskommandos benachrichtigen. Und er würde es tun. Dann bliebe mir als letzter Ausweg noch der Buschwald, aber für wie viele Tage? Wie viele Tage kann ein Offizier im Gehölz herumlaufen mit einer Landkarte aus dem vorigen Jahrhundert? Im Tiefland oder in den Bergen, die Banditen, die Strauße, die etwaigen Hirten, die Hyänen um Gastfreundschaft bittend? Wenn der Lastwagen nicht stürzte, konnte ich
mich ruhig zum nächstgelegenen Kommando begeben und mich stellen. Ich hätte dann wenigstens mein Leben gerettet, und ich musste es retten. Aber er würde abstürzen.
    Ich blieb am Straßenrand stehen, niedergedrückt von diesen Gedanken, und wartete darauf, dass der Lastwagen unten am Ende des Tals wieder auftauchte. Von dieser Höhe sah die Straße aus wie ein rosa Bändchen auf dem Rücken eines schlafenden Tieres. Ich blieb eine Stunde dort und wartete, und die Hoffnung lebte wieder auf. Er war abgestürzt. Noch zehn Minuten, und ich würde fortgehen, ja, ich würde sogar den Weg zum Fluss hinuntergehen, in den Schluchten nachforschen und dann, der Abkürzung folgend, auf den anderen Felshang gelangen.«Noch zehn Minuten warten, und ich bin gerettet», sagte ich.«Wenn das Lastauto nicht vorbeifährt, bin ich gerettet und schiffe mich ein.»Jetzt würde das Lastauto nicht mehr vorbeifahren. Ich kontrollierte die Zeit auf der Uhr.
    Ich sah einen alten Eingeborenen von der Höhe herabkommen; er ging zum Fluss und blieb ein paar Schritte von mir entfernt stehen und wartete, dass ich auf ihn aufmerksam wurde. Er hatte seinen Unterwerfungsausweis in einen Spalt seines Spazierstockes gesteckt. Ich lächelte ihm zu, und er ging grüßend weiter, finster und vertrauensvoll.
Er witterte überhaupt nichts.«Gut», dachte ich. Ich war einen Augenblick abgelenkt, während ich dem Alten nachschaute, und als ich mich dann wieder daranmachte, das Tal mit den Augen zu durchforschen, sah ich den Lastwagen, klein wie eine blaue Maus, auf dem rosa Bändchen langsam dahinrollen. Er rollte langsam darüber hin, eine seiltanzende Maus, und schaukelte im Staub. Er fuhr mit einer Langsamkeit vorwärts, die für mich der grausamste Spott war, und seine Verspätung sagte mir, dass der Major den Schaden entdeckt und Abhilfe geschaffen hatte.
    Er fuhr also voran, ganz langsam (gewiss um weitere Überraschungen zu verhüten), dann verschwand er zwischen den Ästen des Buschwaldes.
    Wozu war mir dieses Geld jetzt noch nütze? Ich zählte es, es waren fünfzigtausend Lire.

SECHSTES KAPITEL
    Die beste Hütte

1
    Ich erwachte, als die Sonne schon aufgegangen war. Zwanzig Schritte von mir entfernt strömte das gelbliche Wasser des Flusses, der noch Hochwasser führte. Es erinnerte mich an das Wasser eines anderen Flusses, der auch immer so gelbblond aussah, und es war, wie wenn man einen Freund wiedersieht auf dem Bürgersteig irgendeiner Stadt. Einen Freund, der einen mit zerstreutem Blick anschaut, einen nicht wiedererkennt (oder so tut, als erkenne er einen nicht) und seinen Weg weitergeht, von einer unerbittlichen Menschenmenge fortgerissen.
    Ich war steif geworden vom langen Laufen am vorherigen Tag, und als ich mich daran erinnerte, was ich an jenem Ort getan hatte, überkam mich eine finstere Gleichgültigkeit. Dies also war das erste Hindernis, das es zu überwinden galt, um nach Massaua zu gelangen. Ich hatte die Nacht damit verbracht, den Fluss zu betrachten, seinem tiefen Murmeln zu lauschen, dieser

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