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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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einzigen
Stimme unter den hysterischen Schreien des Buschwaldes. Jetzt musste ich hinüberschwimmen, und das Unternehmen als solches schreckte mich nicht so sehr als vielmehr die Möglichkeit, dass ein Krokodil es zum Scheitern bringen könnte. Noch mehr aber schreckte mich die Gewissheit, dass es nun vergeblich war, gegen ein Schicksal anzukämpfen, das mich bereits tödlich getroffen hatte und jetzt mit mir spielte und mir kleinliche künstliche Schwierigkeiten in den Weg legte. Aber vielleicht gab es keine Krokodile in diesem Teil des Flusses, da die Ufer steil abfielen, die Krokodile aber die verborgenen Strände lieben und die Sonne, die sie wärmt.
    Ich ertappte mich dabei, wie ich mit lauter Stimme zu mir selbst sprach, und erschrak: Es war das Zeichen, dass ich den Kampf aufgab, wenn ich nicht irgendetwas tat. Ich musste handeln, durfte mich erst fangen lassen, wenn ich erschöpft, sterbenskrank war, aber vorher musste ich versuchen zu handeln. Ich fing an, mich zu beschimpfen, und diesmal ermutigte mich der Klang meiner Stimme: Ich benutzte die flüchtige Energie, die ich nun wiedergewonnen hatte, um eine Stelle auszuwählen, wo ich ins Wasser gelangen konnte. Als ich sie gefunden hatte, überlegte ich, dass es besser sei, zuerst zu frühstücken. Ich hatte einige Schachteln Käse und Zwieback bei mir (ich hatte
mich für die misslungene Schiffsreise damit versorgt), und ein paar Tage würde ich keinen Hunger leiden. Was den Durst anbetraf, so schien das Flusswasser im Kochgeschirr nicht schlammig zu sein. Ich machte Kaffee, tat auch etwas davon in die Feldflasche und kleidete mich aus. Ich suchte ringsum nach einem alten, verfaulten Baumstamm, und bald darauf hatte ich ein kleines Floß aus dem verfluchten Pappmaché gefunden, auf das ich den Tornister legen konnte. Ich band das Floß mit einer Schnur an das linke Handgelenk, stieß es ins Wasser und folgte ihm, während ich versuchte, mit den Füßen nicht auf den Grund zu treten, um mir die Berührung mit dem schlüpfrigen Schlamm zu ersparen: Jetzt ging es darum, sich der Strömung zu überlassen und erst etwas zu tun, wenn sie reißender wurde, gegen die Mitte des Flusses zu.
    Es wurde immer schwieriger, sich über Wasser zu halten; ich hatte nicht bedacht, dass Süßwasser schlecht trägt, und vielleicht war es unklug gewesen, mir das Floß ans Handgelenk zu binden, aber jetzt musste ich herauskommen. Und ich käme nur unter einer Bedingung heraus: nämlich, indem ich mich dem Fluss überließe. Wenn ich längere Zeit im Wasser bliebe, verbesserten sich die Aussichten zugunsten des Krokodils, aber wenn ich versuchte, überhastet herauszukommen, verringerte
ich allzu sehr die Aussichten auf Rettung überhaupt. Die Brücke war knapp zwei Kilometer entfernt, und ich sah das Ufer mit einer Geschwindigkeit vorübergleiten, die mir Sorgen machte. Bis zum gegenüberliegenden Ufer war es immer noch weit. Einmal wurde ich rasch bis auf wenige Meter herangetragen, dann aber wieder von der Strömung erfasst und zur Mitte des Flusses zurückgezogen.
    Ich überlegte gerade, ob ich das Floß aufgeben solle, als ich beim Bewegen der Füße an etwas Schwabbeliges stieß, das nicht nachgab, vielleicht sogar an etwas Lebendiges. Als ich schrie, begann ich Wasser zu schlucken. Da beschloss ich wütend, mich zu retten. Ich zappelte mit Händen und Füßen und erreichte damit nur, dass ich Wasser schluckte und mich noch mehr entsetzte.
    Ein tiefes Bedauern, mein Leben in diesem Fluss zu lassen, überkam mich und besiegte meine Scham darüber, dass ich so große Angst ausstand. Als ich erschöpft war, ließ ich mich treiben, und das Wasser schlug einen Augenblick über mir zusammen. Dann, immer entschlossener, mich zu retten, konnte ich mich, ohne zu schreien, an das Floß klammern; ich stieß die Füße gegen den Grund und berührte ihn.
    Das Wasser reichte mir bis zum Hals. Einen Augenblick später war ich am Ufer, lag dort nackt
auf dem Boden und erbrach das Frühstück. Ich blieb im Sand liegen, bis die Ameisen mir lästig zu werden begannen. Weiter unten sah ich die Brücke (es fuhr gerade eine Lastwagenkolonne darüber), und als ich die Stelle auszumachen versuchte, an der ich ins Wasser gestiegen war, stellte ich fest, dass ich fast einen halben Kilometer zurückgelegt hatte. Während ich so schaute, kräuselte sich die Oberfläche des Flusses wenige Meter vom Ufer entfernt, und das Wasser schäumte dunkel auf.
    Ich begann sofort, mich anzukleiden.
    Meine Sachen

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