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Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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weinen. Er hatte sie noch nie weinen sehen .
    Was ist los, Brod 7 Was ist 7 Es sollte dir Freude bereiten Sie schüttelte den Kopf Weinen war für sie etwas Neues, i
    Was ist, Brod? Was ist passiert ?
    Brod hatte seit jenem Trachimtag fünf Jahre zuvor nicht mehr geweint, als der verrückte Grundbesitzer Sofiowka N sie auf dem Heimweg von den Festwagen aufgehalten und zur Frau gemacht hatte.
    Ich liebe dich nicht, sagte sie.
    Was?
    Ich liebe dich nicht, wiederholte sie und schob ihn weg. Tut mir Leid.
    Brod. Er legte ihr die Hand auf die Schulter.
    Hau ab!, schrie sie und riss sich los. Ruhr mich nicht an! Ich will nicht, dass du mich noch ein einziges Mal anrührst! Sie wandte den Kopf zur Seite und erbrach sich ins Gras.
    Sie rannte davon. Er verfolgte sie. Sie rannte viele Male um das Haus, an der Vordertür vorbei, den gewundenen Weg entlang, zum Tor an der Ruckseite, durch den Schweinestall von Garten, durch den Gemüsegarten neben dem Haus und wieder zur Vordertür. Der Kolker blieb ihr dicht auf den Fersen, und obgleich er viel schneller war als sie, beschloss er, sie nicht einzuholen und sich auch nicht umzudrehen, um zu warten, dass ihre nächste Runde sie zu ihm brachte Also rannten sie immer weiter um das Haus herum. Vordertür, gewundener Weg, Schweinestall von Garten, Gemüsegarten, Vordertür, gewundener Weg, Schweinestall von Garten, Gemüsegarten. Schließlich, als der Nachmittag sein Abendkleid anlegte, brach Brod erschöpft im Garten zusammen.
    Ich bin müde, sagte sie.
    Der Kolker setzte sich neben sie. Hast du mich jemals geliebt?
    Sie wandte den Kopf ab. Nein. Nie.
    Ich habe dich immer geliebt, sagte er.
    Das tut mir Leid für dich.
    Du bist ein schrecklicher Mensch.
    Ich weiß, sagte sie.
    Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich es weiß.
    Tja, jetzt weißt du, dass ich es weiß.
    Er strich mit dem Handrücken über ihre Wange und tat so, als wollte er den Schweiß abwischen. Glaubst du, du könntest mich jemals lieben?
    Ich glaube nicht.
    Weil ich nicht gut genug bin.
    Das ist es nicht.
    Weil ich nicht klug genug bin.
    Nein.
    Weil du mich nicht lieben kannst.
    Weil ich dich nicht lieben kann.
    Er ging ins Haus.
    Brod, meine Ur-ur-ur-ur-ur-Großmutter, blieb allein im Garten zurück. Der Wind ließ die Unterseiten der Blätter aufleuchten und blies Wellen ins Gras. Er strich über Brods Gesicht, trocknete den Schweiß und verlangte mehr Tränen. Sie öffnete das Päckchen, das sie, wie sie jetzt merkte, die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. Blaues Band, blaues Pergamentpapier, Schachtel. Ein Parfümfläschchen. Er musste es letzte Woche in Lutsk gekauft haben. Was für ein liebes Geschenk. Sie sprühte ein wenig davon auf ihr Handgelenk. Es war ein zarter Duft. Nicht zu ursprünglich. Was?, sagte sie in Gedanken und dann noch einmal laut: Was? Sie hatte das Gefühl, völlig aus der Balance geraten zu sein, wie ein sich drehender Globus, der durch die leichte Berührung eines Fingers mit einem Mal angehalten wird. Wie hatte es so weit mit ihr kommen können? Wie konnte es so viel geben - so viele Augenblicke, so viele Menschen und Dinge, so viele Rasierklingen und Kissen, so viele Uhren und Särge - , ohne dass sie sich dessen bewusst gewesen war? Wie konnte ihr Leben ohne sie vonstatten gehen?
    Sie legte den Zerstäuber zusammen mit dem Pergamentpapier und dem Band in die Schachtel und ging ins Haus. Der Kolker hatte die Küche verwüstet. Gewürze lagen verstreut auf dem Boden. Verbogenes Silberbesteck auf der verkratzten Anrichte. Aus den Angeln gehobene Küchenschranktüren, Schmutz und Glasscherben. Es gab so viel zu tun: Sie musste einsammeln und wegwerfen; und nachdem sie alles eingesammelt und weggeworfen hatte, musste sie retten, was zu retten war; und nachdem sie gerettet hatte, was zu retten war, musste sie kehren; und nachdem sie gekehrt hatte, musste sie mit Seifenlauge wischen; und nachdem sie mit Seifenlauge gewischt hatte, musste sie abstauben; und nachdem sie abgestaubt hatte, musste sie etwas anderes tun, und nach dem anderen wieder etwas anderes. Es waren so viele kleine Dinge zu erledigen. Hunderte von Millionen. Es kam ihr so vor, als musste alles im Universum erledigt werden. Sie räumte einen Platz auf dem Boden frei, legte sich hin und versuchte, in Gedanken eine Liste zu machen.
    Als das Sirren der Grillen sie weckte, war es beinahe dunkel. Sie entzündete die Sabbatkerzen, betrachtete die Schatten auf ihren Händen, bedeckte die Augen, sprach den Segen und ging

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