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Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Moment, als die Säule beharkt und das Schild getreten worden waren, hatte der Vertriebsrepräsentant in der leeren Tiefgarage für Führungskräfte um Hilfe gerufen. Seine Rufe, das Gurgeln des auf dem Rücken liegenden, für Überseeproduktion verantwortlichen Vice President und die davon ausgelösten Echos ergaben einen Gesamtgeräuschpegel, dessen hier in der umschlossenen Tiefgarage für Führungskräfte scheinbar unbegrenzte Ausdehnung von einer Art war, dass der Vertriebsrepräsentant – der über dem Drehpunkt seiner Handfläche den großen, zerfurchten, grobporigen Kopf nach hinten neigte und mit einem sauberen, schlanken Finger den zervikalrosa getönten Mundraum des gefällten Managers von Zunge und Fremdstoffen zu befreien suchte – perplex und überrascht bis zum glatten Bestreiten gewesen wäre, wie wenig von den kakophonen und scheinbar allumfassenden Hilferufen den Weg die schmale Ausfahrt hinauf fand oder durch die sporadischen Spalten in der Bunkerdecke der Tiefgarage für Führungskräfte hindurchsickerte und in der leeren Personalgarage zu hören war, geschweige denn die in Gegenrichtung gewendelte Ausfahrt überwand oder durch die verhältnismäßig dicken Betonmauern der Personalgarage auf die ruhige, aber gut beleuchtete Straße des Geschäftsviertels überihnen entwich, auf der ein Pärchen spazieren ging, würdevoll, puppenblass, Arme verflochten, stumm, den beständigen fernen Nachtgeräuschen zischenden und seufzenden Stadtverkehrs nachlauschend, ohne je echte Unterschiede herauszuhören.
    In der echoreichen, verlassenen Tiefgarage für Führungskräfte unter der Personalgarage unter Straßenniveau hatte der Vertriebsrepräsentant derweil den sich ausbreitenden Stoff von der eigenartigen Delle gerissen und machte sich regelrecht über das schadhafte Herz des für Überseeproduktion verantwortlichen Vice President her. Er wendete die Herzdruckmassage an, drückte auf die weiche Delle des Brustbeins und wechselte jeweils nach viermal Pressen zur Atemspende durch die vollen, aber bläulich verfärbten Lippen des gefällten Senior Executive in den eingefallenen, sich hebenden Brustkorb, der sich dann wieder senkte, und in der Pause nach jedem vierten Pressen nahm er sich die erforderliche Zeit und Luft, um in Richtung der ruhigen Straße »Hilfe« zu rufen, erhielt die minimalen Lebensfunktionen des für Überseeproduktion verantwortlichen Vice President mittels HLW aufrecht, bis Hilfe kam, denn dafür hatte er den mit Teilnahmebestätigung abgeschlossenen Kurs bei der zierlichen, ehrenamtlichen Rot-Kreuz-Ausbilderin aus der Neoboheme mit Mandelaugen belegt – von der, wie er sich erinnerte, alle Kursteilnehmer Herzdruckmassage und Atemspende empfangen wollten, der der Vertriebsrepräsentant eines spontanen Abends im Quarzlampenschein eine Tasse Kaffee und eine Scheibe Neunkorntoast gekauft und die er zum Jahresball der Verkaufstrainees ausgeführt und dann geheiratet hatte –, von ihr bestätigt, man konnte ja nie wissen, wann man mal ein Leben retten musste, und endgültig verführt hatte ihn die Maxime seiner Verlobten, im Zweifelsfall solle man immer auf Nummer Sicherheitsvorkehrung gehen und bereit sein, minimale Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten, bis Hilfe eintraf, seine Arme und Lendenwirbelsäule schmerzten langsam vom gebeugten Pressen beim rücklings daliegenden Senior Executive, wieder rief er innehaltend »Hilfe«, lockerte auch sich den steifen Kragen, der Schweiß lief ihm ölig von der straffen Haut unter den eigenen, neueren gefütterten Mantel und den grauen Wollanzug, und sein eigener Atem kam stoßweise, während er die minimalen Lebensfunktionen des für Überseeproduktion verantwortlichen kachektischen Vice President aufrechterhielt und auf das Eintreffen von Hilfe hoffte, weit nach zehn, in der völligen Leere, ungehört verhallend »Hilfe« rief, und das Leben eines Menschen, des glücklich verheirateten und ausdruckslos gütigen Großvaters, lag buchstäblich auf Lebenszeit in den Händen des Junior Executive in längst vergessenen Abgaswirbeln unter dem gleichmütigen und wachsamen Scheinwerferauge des enthaupteten Motorrollers.
    »Hilfe«, rief der Vertriebsrepräsentant immer weiter nach jedem vierten künstlichen Kreislauferhaltungsversuch beim rücklings daliegenden, massierten und beatmeten für Überseeproduktion verantwortlichen Vice President, gefällt inmitten eines flachen Strudels sich noch immer auf dem betonierten Monoxidboden ausbreitender

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