Alles kam ganz anders
daß du es nur einmal im Leben warst!“
„Bist du so sicher – aua, laß meine Haare – du, da ist die ganze Tafel, sieht direkt feierlich aus!“
Ja. es war feierlich gewesen. Ingo und ich wollten ja ohne große Umstände schnell zum Standesamt, aber da hatten wir nicht mit meiner Familie gerechnet!
„Wenn du denkst, daß ich es mir nehmen lasse, ein Brautkleid für meine einzige Tochter zu schneidern, dann irrst du dich!“ hatte Mama sehr energisch gesagt.
„Wenn ihr denkt, daß ich es mir nehmen lasse, das Hochzeitsessen für meine einzige Urenkelin zu kochen, dann habt ihr euch aber geirrt!“ hatte Grand-mère sehr klar und bestimmt am Telefon gesagt.
„Wenn du denkst, daß meine einzige Enkelin heiraten darf, ohne daß ich dabei bin, dann irrst du dich!“ hatte Oma aus Norwegen am Telefon versichert.
Jessica und Falko teilten mit, daß wir ohne ihre Anwesenheit nicht heiraten durften, unsere Mutti in Lübeck sagte dasselbe, und Simone hatte ich ja schon eingeladen. Also, ehe wir es uns versahen, war eine Gesellschaft von zwölf Personen zusammengekommen, und Mama und Papa mußten eine Pause in ihren Umzugsvorbereitungen machen, um die teure Tochter in geziemender Weise – mit kirchlicher Trauung, Mamas Brautschleier, einem wunderbaren Kleid und dem Bräutigam im Frack – in den Hafen der Ehe zu lotsen.
Eigentlich war ich froh darüber. Und jetzt machte es mir unsagbar viel Freude. Papas gekonnte Aufnahmen von der Hochzeit zu sehen!
Endlich kam ich auch dazu. Simones Brief zu lesen. „Dies ist wie ein Märchen“, schrieb sie. „Zu denken, sozusagen Hand in Hand mit der berühmten Edda Callies arbeiten zu dürfen! Jeden Tag liest sie mir vor. was sie geschrieben hat, und ich darf, ja ich soll sogar meinen Senf dazugeben. Es ist ganz merkwürdig, sein eigenes Schicksal so vorgelesen zu bekommen. Ich sehe es selbst jetzt viel klarer, und ich verstehe allmählich, daß ich es zeitweise furchtbar schwer gehabt habe. Ich bin froh, daß das Buch geschrieben wird, und hoffe nur von ganzem Herzen, daß es viele Mädchen zum Nachdenken bringen wird!
Während Frau Callies schreibt, kümmere ich mich ums Kochen. Titine weiß ich in den besten Händen: Herr Dieters nimmt sie immer mit ins Atelier und hat schon einen ganzen Haufen Zeichnungen von ihr gemacht! Der einzige Nachteil ist, daß sie, wenn mein Verdacht richtig ist, an einem Tag mehr Süßigkeiten bekommt als sonst in einem Monat. Frau Callies erzählt übrigens, daß es genauso war, als du mit vier Jahren hier warst. Ich habe nie einen so kinderlieben Mann wie Benno Dieters gesehen, und Titine liebt ihn schon heiß und innig.
Ja, und dann muß ich dir erzählen, was ich ab morgen tun werde, oder jedenfalls versuchen werde. Es ist Frau Callies’ Vorschlag: Ich werde versuchen, das Buch kapitelweise ins Französische zu übersetzen. Frau Callies hat einen französischen Verleger, der immer gern ihre Bücher herausbringt, aber bis jetzt war sie ziemlich verzweifelt über die Übersetzungen. Eine Sache ist es, zwei Sprachen zu können, etwas ganz anderes, den Stil, die Ausdrucksweise, sozusagen den Geist eines Buches in eine andere Sprache übertragen zu können. Also, ich werde es versuchen, und Frau Callies kann selbst so viel Französisch, daß sie meine Arbeit beurteilen kann. Halt mir die Daumen! Es ist ja eine Arbeit, die sehr nahe mit meinem Traumberuf verwandt ist. Ich hoffe und bete und wünsche, daß ich die Aufgabe schaffe!“
Ich las Ingo den Brief vor. Wir freuten uns beide aufrichtig für Simone! Wie konnte sie doch endlich Lichtpunkte in ihrem Dasein brauchen, nach all den schweren Zeiten, die sie gehabt hatte.
Sie war so tapfer gewesen, hatte jede Arbeit angenommen, jeden Pfennig zusammengekratzt, auf alles verzichtet, was andere achtzehnjährige Mädchen als selbstverständliche Annehmlichkeiten betrachten. Wenn jemand die Konsequenzen aus seinen unbedachten Handlungen gezogen und mutig den Kampf gegen die Folgen aufgenommen hatte, dann war es Simone! „Weißt du, Ingo… hoppla, was ist das denn?“
Es hatte geklingelt, und ich lief zur Tür.
Da stand der Sohn von Frau Post-Henning. „Eingeschriebener Eilbrief für dich, Elaine!“
Nanu?
Es war Papas Handschrift. Außer meinem Namen und der Adresse stand mit Rotstift: „Empfängerin wohnt in Rosenbüttel. Nicht umadressieren!“
Was sollte das bedeuten?
Ich riß das Kuvert auf. Drinnen lag ein anderer Brief und ein Zettelchen von Papa: Liebes Elainchen, hiermit ein
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