Alles Land - Roman
durchaus Lust, ihn auf eine Pfeife dort unten zu besuchen, aber dazu hätte er erst einmal sein Rauchwerk suchen müssen.
Erst als es direkt vor ihm an die Schiffswand klopfte, schreckte Wegener auf. Es war Kraus, der zurück an Bord kam, die Strickleiter schlug gegen das Metall. Als seine spitze Kapuze über die Kante ragte, fiel Wegener ein, worüber er nachgedacht hatte.
Wie war das? Wenn der Prophet nicht zum Berg kam, musste eben der Berg zum Propheten kommen. Aber müsste dann, wenn sie es zum Land nicht schafften, das Land ihnen nicht entgegenkommen? Aber nichts anderes
tat es ja. Das Eis verlängerte das Land übers Wasser hin. Sie mussten es nur betreten. Wegener beugte sich vor und reichte Kraus die Hand. Er musste alle Kraft zusammennehmen, um ihn über die Reling zu ziehen.
Eine halbe Stunde später war die Besatzung in der Messe versammelt, manche von ihnen bereits im Nachthemd, und Wegener erläuterte seinen Plan. Sie würden die Ausrüstung über das Meereis zur Küste schaffen, die ganzen einhundert Tonnen. Keine leichte Aufgabe, aber besser, als bis zum Mittsommer zu warten. Und bei Lichte besehen, sei es auch nichts anderes als das Inlandeis.
Am Morgen waren zunächst die Motorschlitten an der Reihe. Das unbefestigte Schiff bekam starke Schlagseite, als die erste der gewaltigen Kisten die Bordwand hinunterruckte. Wegener stand auf dem Eis und dirigierte, während Kapitän Vestmar oben an der Reling auf und ab lief wie ein Zootier vor der Fütterung.
Endlich standen alle drei Ungetüme am Rand der Eiskante, Manfred Kraus hebelte die Seitenwände auf und machte sich dann ans Montieren der Kufen. Als Nächstes folgten die Pferde, auch sie wurden mit dem Kran von Bord gehoben. Sie hingen so still und andachtsvoll in ihrem Gurt wie ein Kätzchen im Maul seiner Mutter, ohne auch nur mit einem Huf zu zucken.
Bis zum nächsten Morgen hatten sie keine zwei Fuhren hinüber ans Ufer gebracht. Das Eis war bereits dünner als erwartet. Und in den nächsten Tagen schmolz es im Zusehen. Ausgerechnet jetzt kam Föhnwind auf, zum ersten
Mal kreuzte die Kurve von Georgis Thermograph die NullGrad-Linie, wie ein Schiff auf der Seekarte den Äquator. Am dritten Tag konnten sie an einigen Stellen mit ihren Stöcken durchs Eis stechen. Am Nachmittag des vierten brachen an den Rändern die Hunde ein.
Sie ließen also alles weitere Gepäck an Bord und machten sich nun daran, eine Rinne ins Eis zu sprengen. Wegener berechnete die Punkte, und sie vergruben Pulver für achtzehn gleichzeitige Sprengungen von je anderthalb Kilogramm. Es dauerte zwei Stunden, bis alle Leitungen verlegt waren. Dann hob Wegener die Hand, alles ließ sich auf die Knie nieder und presste die Fäustlinge an die Ohren.
Wie der Knall von den Wänden des Inlandeises zurückgeworfen wurde. Rollend brandete das Echo über sie hinweg, als hätte es sie am liebsten mit hinausgenommen.
Auch wenn der erste Versuch sie nur eine Winzigkeit weiterbrachte, herrschte doch einhellige Begeisterung über die Methode. Mochte sie noch so viel Zeit, Dynamit und Zündkapseln verbrauchen, immerhin geschah etwas. Lachend liefen die Männer über das Eis, der Knall hatte einige Grönländer angelockt, unter lautem Gebell sprangen ihre Hunde zwischen den Sprengleitungen herum, während das Schiff von Neuem zurücksetzte und mit aller Kraft gegen die löchrig gesprengte Eiskante setzte.
Als sie von sechs Uhr abends bis drei in der Früh gearbeitet hatten, riss das Eis. Allerdings nicht direkt bei ihnen, sondern ein Stück weiter im Süden. Eine riesige Scholle, die Tafel war sicherlich einen halben Kilometer breit und maß mehrere Kilometer in der Länge. Alle Arbeit umsonst, sie hätten ebenso gut rauchen, denken, schlafen können.
Aber das war nun gleich. Was zählte, war der freie Weg. Die Ladung wurde zurück an Bord gehievt, einschließlich der verblüfften Pferde. Mit wenigen Sprengungen war das offene Stück erreicht, wo alles, was noch auf dem Eis war, aufgenommen wurde, Dynamit, Mannschaft, Grönländer, Hunde.
Am Morgen des 17. Juni trafen sie in Kamarujuk ein, sechs Wochen über der Zeit.
Die Größe der Wolkenelemente
Gearbeitet wurde nun Tag und Nacht, es war ohnehin immerzu hell. Jemand musste gemeinsam mit dem örtlichen Katecheten bei den Siedlungen an der Küste vorstellig werden, um Schlittenhunde zu finden. Die Grasernten aufkaufen und zum Trocknen ausbreiten. Hellefische angeln, als Hundefutter. Dann Packsättel instand setzen.
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