Alles Land - Roman
Hundeführer auswählen. Ein Trockengestell für Haifischfleisch errichten. Mit der Eisaxt einen Weg über den Gletscher bahnen. In drei Tagen keine zwanzig Meter zustande bringen. Verzweifeln. Dann nachts eine Erinnerung: an den Kamin von Zechlinerhütte, das Kehrblech voller Ruß, den zugefrorenen See, die hineingeschmolzenen Löcher. Also Holzkohle auf den Gletscher streuen, die Sonnenwärme höhlte die Stufen aus. Die Erleichterung. Die Gesichter der Männer, die Freude darin und der Ruß. Brücken bauen. Bäche regulieren. Depots anlegen. Einen Saumpfad in der westlichen Randmoräne des Gletschers bauen. Wenn ein einzelner Mann an der steilsten Stelle in vier Stunden einen halben Abschnitt schaffte, wie viele Männer benötigte man dann für die ganze Strecke?
Der einzelne Mann war Wegener selbst. Wenn er zurückkam, fand er Vigfus, der noch immer nicht alle Packsättel instand gesetzt hatte. Sie mussten weiterhin
auf ein Drittel der Pferde verzichten. Auch Gislanson war kein Gewinn. Also Grönländer suchen, die beim Anlegen der Wege halfen. Dann wieder Vigfus anbrüllen, der noch immer behauptete, man dürfe die Pferde anfangs nicht voll beschäftigen, sonst würden sie steif. Zwischendurch rasche Messungen der wichtigsten Parameter. Oberhalb der Strecke brachen sie Steine heraus und ließen sie hinunterstürzen, dass die Erde dröhnte.
Pferde, Hunde und Menschen vor den ersten Motorschlitten spannen, die Taue zogen sich über den ganzen Hang. Wie rasant der Schlitten geformt war, und wie schlecht das zu der Mühe passte, mit der er sich die Steigung hinaufquälte. Meter für Meter bewegten sie ihn vorwärts, mit Rufen wurden die Menschen angespornt, mit Tritten und Peitschenhieben die Tiere.
Depots vorschieben. Tagesleistungen abschätzen. Grönländer finden, die bereit waren, sie hinauf aufs Inlandeis zu begleiten. Bei der Arbeit singen, die Grönländer beherrschten unterdessen viele deutsche Lieder. Mit einem von ihnen, Rasmus, sang Wegener zweistimmig »Singe nicht, Nachtigall«. Die Schlittenleinen entwirren. Haifischsuppe kochen. Brotsuppe kochen.
Anfangs hatte es noch Einladungen gegeben: beim Katecheten, beim Leiter der örtlichen Kolonie, bei den Familien ihrer Helfer. Fortwährend sollten sie sich Gastfreundschaft beweisen lassen. In den niedrigen Türstürzen musste Wegener sich bücken, und anfangs hatte er ja immer noch ein Grammophon dabei. Als der Vorrat zur Neige ging, brachte Wegener als Gastgeschenk etwas von dem Durchschlagpapier mit, mit dem er seine Briefe schrieb. Die Bögen
erregten ein noch größeres Hallo als die Musikgeräte. Sobald Wegener dann an der Tafel Platz nahm, begann er schon einzunicken, und auch wenn er, um sich wach zu halten, selber sprach, entglitten ihm unaufhörlich die Gedanken.
Wenn die tägliche Leistung viertausend Kilogramm betrug und sie über einundzwanzig Pferde mit achtzehn Sätteln verfügten, also drei der Pferde für die Schlitten einsetzen konnten, hätten sie die restliche Ladung in siebzehn Tagen im Else-Depot. Vielleicht eher in zwanzig. Drei Führer für die Pferde, zwei Schlittenführer, jemand musste weiter Wege bauen und erste Schäden auf den steileren Stücken ausbessern. Wenn zweimal täglich gegangen wurde, waren die fünfundsiebzig Tonnen des Zwischenlagers nach zweiundzwanzig Tagen im nächsten Depot. Sie brauchten mehr Grönländer. Vielleicht schafften sie es in neunzehn. Er würde mit Vigfus reden, ob er statt zweimal täglich auch dreimal gehen könnte. Es hing davon ab, zu wie vielen Stunden man den Tag rechnete.
Sie mussten vorankommen, es gab kaum mehr Heu. Bald würden die ersten Pferde geschlachtet werden müssen. Ohnehin waren sie nur für diesen ersten Transport hinauf aufs Inlandeis vorgesehen. Doch einige von ihnen waren wegen fehlender Sättel noch gar nicht zum Einsatz gekommen. Er würde Vigfus überreden müssen, die Pferde von nun an nur noch von zwei Personen führen zu lassen. Sie hatten jetzt einunddreißig Grönländer im Einsatz. Jeder hundert Kronen am Tag. Dazu den Katecheten. Und noch immer waren die Schlitten nicht in Betrieb genommen, diese Bewährung stand noch bevor.
Der Plan vertrug keinen einzigen weiteren Fehler. Immerzu hieß es, sich heranzuhalten, sonst kam ihnen der Winter über den Hals.
Zum Schlafen kehrten sie weiterhin an Bord des Schiffes zurück, es war am einfachsten. Ohnehin war an Schlaf kaum zu denken. Morgens, wenn sie von der Arbeit kamen, stand Wegener noch einen Moment an
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