Alles muss versteckt sein (German Edition)
– und ich soll es gut sein lassen?«
»Dr. Falkenhagen sagt, ohne neue Beweise ändert sich für mich nichts.«
»Genau! Und diese Beweise werden wir finden, es muss sie geben! Für mich bist du nicht schuldig, für mich kannst du nicht schuldig sein.«
»Danke.« Sie ist ihm wirklich dankbar. Und fragt sich, ob er schon immer so an sie geglaubt hat, ihr so bedingungslos vertraut hat. Sie selber hatte ihm bedingungslos vertraut, so sehr, dass sie für ihn beide Hände ins Feuer gelegt hätte. Bis zu dem Tag, an dem sie erfahren musste, dass sie sich verbrennen würde, wenn sie es täte.
»Was hast du?« Christopher sieht sie an, als wolle er ihre Gedanken lesen.
»Nichts.«
»Aber ich merke doch, wenn etwas nicht stimmt, wenn du über etwas nachgrübelst!«
»Du glaubst immer noch, ich bin ein offenes Buch für dich, oder?«
»Nein, das nicht. Ich denke nur, das hier ist nicht der richtige Moment und nicht der richtige Ort, um mir etwas zu verschweigen. Also sag mir doch einfach, was dich gerade beschäftigt.«
Sie zögert. Dann gibt sie sich einen Ruck. »Also gut. Ich musste gerade daran denken, dass du mich betrogen hast. Dass du mich allein gelassen hast in einer Zeit, in der ich dich am meisten gebraucht hätte.«
Sofort tritt ein schuldbewusster Ausdruck auf sein Gesicht, er zieht die Schultern ein, wird ganz klein trotz seiner Größe. »Das stimmt«, gibt er zu. »Das war falsch.«
»Es war nicht nur falsch «, erwidert sie. »Es war gemein und brutal.«
»Warum hast du das damals nicht gesagt? Warum hast du mich nicht angeschrien? Warum bist du nicht ausgerastet, hast Dinge nach mir geworfen, getobt, mich geschlagen?«
»Was hätte das gebracht?«
Christopher seufzt. »Zumindest hätte ich dann gewusst, dass dir nach Celias Tod nicht alles egal ist. Dass ich dir nicht egal bin.«
»Ach so?« Ärger steigt in ihr auf. »Jetzt bin ich also auch noch schuld?«
»Nein.« Er schüttelt energisch den Kopf. »Das natürlich nicht! Aber ich habe deine Resignation einfach nicht aushalten können. Dieses Gefühl, dass es ganz egal ist, was ich tue, ob ich da bin oder nicht, weil deine Gefühle für mich tot sind. Genauso tot wie unsere Tochter.«
»Das hast du gedacht?«
»Ja, das habe ich«, sagt er. »Und das soll wirklich keine Entschuldigung sein. Aber vielleicht wenigstens eine Erklärung?« Er sieht sie unsicher an, wirkt fast so, als würde er erwarten, dass sie jetzt ausrastet. Dass Marie jetzt endlich, endlich einmal ausrastet.
Sie tut es nicht. Wozu auch? Der Moment dazu ist lange vorbei. Aber nicht der Moment des Verstehens. Und vielleicht sogar auch nicht der des Verzeihens.
»Es tut mir leid«, flüstert sie.
»Leid tun muss es dir nun wirklich nicht«, sagt er, nimmt ihre Hand und streichelt mit seinem Daumen darüber. »Ich war ja das Schwein, hab mich zumindest wie eins benommen. Ich dachte nur … Vielleicht … vielleicht hätten wir darüber reden sollen.«
»Ja.« Sie nickt. »Das hätten wir.«
»Vielleicht wäre dann alles anders gekommen.« Marie seufzt. Jetzt tätschelt sie seine Hand wie die eines Kindes.
»Hätte, hätte, Fahrradkette.« Dann schweigen sie. Sitzen einfach nur da in diesem vom Nikotin vergilbten Zimmer und schweigen.
»Was willst du jetzt tun?«, fragt Marie, als Christopher sich von ihr verabschiedet.
»Ich überlege noch.« Er sieht unschlüssig aus. »Mit Felix zu reden wird nichts bringen. Kann mir kaum vorstellen, dass er einfach zugibt, irgendetwas mit dem Tod seines Bruders zu tun zu haben. Selbst wenn das der Fall wäre.«
»Eher unwahrscheinlich.«
»Trotzdem.« Wieder dieser entschlossene Gesichtsausdruck. »Wenn ich das Zeug zum Einbrecher hätte, würde ich sagen, ich steige durch ein Fenster ein. Ich könnte natürlich auch einfach durch die Tür gehen, wenn ich den Zahlencode wüsste.«
Marie denkt kurz nach. Soll sie Christopher nicht lieber bremsen, ihn abbringen von der fixen Idee, dass hinter allem, was passiert ist, ein Komplott steckt? Aber irgendwas hält sie zurück. Hoffnung, diese winzig kleine Hoffnung! Auch wenn es noch so unsinnig ist, sich daran zu klammern … Sie erinnert sich an Veras Geburtsdatum, den Zahlencode, sie könnte ihn Christopher verraten und schon wäre er im Haus.
»Bitte, Christopher, pass auf dich auf«, sagt sie zum Abschied.
»Glauben Sie, dass Sie Ihrem Exmann verzeihen können, wie er sich nach Celias Tod verhalten hat?« Es ist fast Abend, Marie sitzt zum zweiten Mal an diesem Tag in Dr.
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