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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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ja«, sie weiß nicht, ob sie ihren Gedanken aussprechen soll. Doch sie kann ihn nicht zurückhalten. »Mein Exmann ist felsenfest davon überzeugt, dass mit Felix etwas nicht stimmt. Er überlegt sogar, wie er ins Haus der Geschwister kommt, um sich dort umzusehen.« Der Arzt beißt sich auf die Lippe. Offenbar zögert auch er, einen Gedanken auszusprechen.
    »Haben Sie uns nicht erzählt«, fragt er schließlich, »dass Sie den Eingangscode kennen? Was spricht dagegen, ihn Christopher zu sagen?«
    »Raten Sie mir das im Ernst?«
    »Als Ihr Arzt: Nein. Als jemand, der Ihnen helfen will: ja. Aber ich würde immer abstreiten, dass ich das getan habe.«
    »Oh.« Marie ist überrascht. Kein Zweifel, Jan Falkenhagen, ihr Arzt und Psychotherapeut, der Mensch, der sich wie kein anderer seit ihrer Verhaftung mit ihr beschäftigt hat, glaubt ihr tatsächlich. Glaubt, dass sie wirklich unschuldig ist. »Ich werde niemandem erzählen, was Sie mir geraten haben.« Dann lächelt sie ihn an. »Und wenn ich ehrlich bin: Ich hab’s schon getan. Christopher kennt den Code für die Eingangstür bereits, gleich morgen früh will er versuchen, ins Haus zu kommen.«
    »Sagen Sie ihm, dass er die Polizei rufen soll, wenn er etwas findet.« Jan Falkenhagens Miene ist undurchdringlich. Einen Moment lang. Und dann schüttelt er schmunzelnd den Kopf, als könne er selbst nicht fassen, worüber sie hier gerade reden. »Die ganze Sache ist so schon genug Indiana Jones .«
    Am nächsten Nachmittag stürzt Christopher in Maries Zimmer mit hochrotem Kopf. Sie springt vom Tisch auf, an dem sie mit Hannah »Memory« gespielt hat. Das heißt, sie hat versucht , zu spielen, doch die Anspannung war viel zu groß, um sich auf die Bilder zu konzentrieren.
    »Was ist passiert?«
    Christopher, noch völlig außer Atem, deutet mit einem Kopfnicken Richtung Hannah, die ihn neugierig ansieht. »Das ist in Ordnung«, erklärt Marie. »Hannah kann das hören. Komm, setz dich.« Sie nehmen am Tisch Platz, Hannah schiebt das Memory-Spiel beiseite.
    »Ich war im Haus«, sagt Christopher. »Ich hab seit heute früh davor gewartet. Gegen zehn sind Felix und Vera weggefahren.«
    »Mach’s nicht so spannend!« Marie spürt, dass sie sich vor Nervosität wieder die Fingernägel ins eigene Fleisch bohrt.
    »Ich bin dann rein«, spricht er weiter. »Und du glaubst nicht, was ich in Felix’ Zimmer entdeckt habe!« Er greift mit einer Hand an seinen Hemdkragen, zerrt daran, als würde er immer noch zu wenig Luft kriegen.
    »Ja, was denn?«
    »Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, irgendwas zu verstecken!«
    » Was denn? «
    »Also«, Christopher fährt sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich kam in sein Zimmer, direkt am Fenster stand sein Schreibtisch, darauf ein Computer. Überall verteilt, auf dem Tisch, auf dem Boden, sogar auf dem Bett, überall lagen Bücher und Artikel herum, alles Fachbücher und - aufsätze. Über das, was du hast. Über Zwangsgedanken!«
    Sie starrt ihn verständnislos an. »Felix hat sich sehr für meine Krankheit interessiert«, sagt Marie. »Vielleicht wollte er darüber schreiben?«
    Christopher nickt. »Ja«, sagt er. »Das wollte er. Aber du hast ja keine Ahnung, was ! Hier.« Unter seiner Jacke zieht er einen Stoß Papier hervor. »Das habe ich in seinem Computer entdeckt. Bevor ich die Polizei gerufen habe, hab ich einen Ausdruck gemacht.« Er wirft Marie die losen Blätter hin. Sie nimmt sie – und beginnt zu lesen.
    Ich habe meinen Bruder getötet. Meinen großen, erfolgreichen und allseits beliebten Bruder. Aber nicht nur das: Mit diesem Mord habe ich das perfekte Verbrechen begangen!
    »Was ist das?« Marie ist entsetzt, ein Kribbeln geht durch ihre Hände, mit denen sie den Papierstapel hält.
    »Lies einfach!«
    Marie kann nicht glauben, was Felix da aufgeschrieben hat, glaubt es einfach nicht! Er schreibt über seinen Hass gegen den älteren Bruder, der ihn schon als Kind nach dem Tod der Eltern einfach zu einer Tante nach Frankfurt »abgeschoben« hat. Über seine Frustration, dass ihm der Erfolg als Schriftsteller verwehrt blieb, während sein Bruder einen Bestseller nach dem nächsten auf den Markt brachte. Und wie er irgendwann den Entschluss fasste, dass er ihn loswerden müsste. All sein Unglück, all sein Scheitern projizierte er auf Patrick, schob ihm die Schuld für wirklich alles, was in seinem Leben schiefgegangen war, in die Schuhe. Selbst sein Misserfolg bei Frauen – aus Felix’ Sicht war

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