Alles oder nichts
Eis zu brechen?«
Während meiner Worte war die Sicherheit seines Auftretens nahezu vollständig verschwunden.
»Nun? Was meinen Sie?« fragte ich.
»Wollen Sie sich nicht bitte setzen?« fragte er schließlich.
Bertha suchte sich den bequemsten Sessel aus, der in der Mitte des Raumes stand, und ließ sich hineinfallen. Ich wählte mir einen Platz zwischen Harmley und der Tür.
»Was wollen Sie also von mir?« fragte er mit etwas gepreßter Stimme.
»Legen Sie uns vollständig Rechenschaft über Ihre Tätigkeit ab. Wenn Sie das nicht wollen, können wir uns ja mit der Polizei in Verbindung
setzen. Dort wird man Ihnen das Reden schon beibringen. Aber vielleicht erspart es allen Beteiligten Ärger, wenn Sie jetzt vor uns sprechen.«
Harmley schob die Hände in die Seitentaschen seines Jacketts und musterte Bertha mit finsteren Blicken.
»Sie haben sich im ersten Moment verraten, Lam. Ich konnte mich sehr schnell darüber informieren, wer Sie sind. Allerdings bin ich nicht auf den Gedanken gekommen, daß Sie mit mir das gleiche tun würden.«
»Das ist Ihr Pech.«
»Ja, es scheint so«, gab er zu.
»Indessen nützt es nichts, wenn Sie jetzt versuchen wollten, sich herauszureden.«
»Vielleicht können wir ein kleines Übereinkommen treffen«, meinte er zögernd.
»Das wäre eventuell möglich«, räumte ich ein.
»Welchen Weg könnten wir da beschreiten?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht haben Sie einen Vorschlag?«
»Mein Motto heißt: leben und leben lassen.«
»Das ist ein guter Wahlspruch.«
»Sie würden dabei auf Ihre Kosten kommen.«
»Glauben Sie wirklich?«
»Ganz bestimmt.«
»Könnten Sie nicht erst ein paar Einzelheiten nennen, ehe ich mich dazu äußere?«
Er überlegte eine Weile und sagte schließlich mehr zu sich selbst als zu uns: »Warum eigentlich nicht?«
Es schien ihn einige Überwindung zu kosten, zu sprechen. Dann begann er mit der ausdruckslosen Stimme eines Mannes, der eher sich selbst Rechenschaft ablegt als anderen berichtet. »Wenn Sie ohnehin schon so viel von mir wissen, können Sie schließlich auch alles erfahren. Es wird für mich nicht gefährlicher, wenn ich Ihnen meine Geschichte, mein Leben, von Anfang an erzähle.«
Durch einen beschwörenden Blick gab ich Bertha zu verstehen, daß sie ihn nicht durch Zwischenbemerkungen unterbrechen solle. Harmley war bereit, sich selbst preiszugeben. Es konnte nur schaden, wenn er dabei gestört wurde. Die notwendigen Fragen würde ich schon im richtigen Moment stellen.
»Schließlich«, fuhr er im gleichen Ton fort, »würde Walter Croy auch keine Minute zögern, mich im Stich zu lassen. Übrigens habe ich ihn immer gewarnt, daß Schwierigkeiten eintreten könnten.«
Ich saß völlig regungslos, sagte kein Wort und bewegte mich auch nicht; ich wagte kaum zu atmen.
Dabei blickte Harmley mich nicht einmal an, sondern schien das Teppichmuster vor seinen Füßen zu studieren. »Wahrscheinlich hätte ich mich besser tarnen sollen. Ich bin zu unvorsichtig geworden.«
Wieder stieß er seine Hände tief in die Taschen. Für etwa eine halbe Minute herrschte völliges Schweigen, dann begann Harmley von neuem und wandte sich diesmal direkt an mich. »Es wäre mir lieb, wenn Sie meine Lage einmal von meinem Standpunkt aus betrachten wollen. Ich weiß nicht, ob Sie das können, aber letzten Endes ist das, was ich tue und getan habe, nicht so schlimm, wie manche Leute vielleicht behaupten. Ich erkannte, daß man bei leichtgläubigen Frauen alles erreichen kann, wenn man sie richtig anfaßt. Es dauerte zwar einige Zeit, bis ich meine Konsequenzen zog, aber...nun ja. Als ich mein Elternhaus verließ und ins Leben trat, war ich aufs tiefste verbittert. Es ist kein Wunder, daß ich es nicht sehr weit brachte. Das wurde erst anders, als ich eine Frau kennenlernte, die sich meiner annahm, die Mitgefühl für mich empfand. Erst sie hat mich leben gelehrt. Ich verdanke ihr alles. Allerdings war sie mit einem Mann verheiratet, der älter war als sie. Sie hatte sich leidenschaftlich in mich verliebt und half mir, wo sie nur konnte. Nicht nur mit Rat und Geschenken, auch mit Geld. Sie ermöglichte es mir, meine Bildungslücken zu schließen. Damals ließ ich sogar meine Stimme ausbilden. Ich liebte sie wahnsinnig. Sie ist der einzige Mensch in meinem Leben, der mir wirklich je etwas bedeutet hat. Ihre Ehe war kinderlos geblieben, und wahrscheinlich sah sie in mir nicht nur ihren Geliebten, sondern auch ihren Sohn und Schüler.« Er schwieg
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