Alles oder nichts
und schien sich seinen Erinnerungen hinzugeben.
»Was ist aus ihr geworden?« unterbrach Bertha schließlich sein Sinnieren.
Er sah sie scharf an. Seine Gesichtszüge wurden wieder hart und verbittert. »Ihr Mann kam hinter unsere Beziehungen und hat sie umgebracht«, antwortete er dann langsam.
Bertha ließ ihre Empfindungen deutlich erkennen. »Und was taten Sie mit ihm?«
»Ich? Nichts.« Er seufzte tief auf, betrachtete seine Hände, die er langsam wie mechanisch zu Fäusten schloß, daß sich die Haut weiß über seine Knöchel spannte, und wieder ebenso langsam öffnete.
»Warum nicht?« fragte ich.
»Ich war wehrlos. Ich konnte nichts tun. Verstehen Sie mich recht. Er nahm nicht etwa eine Pistole und schoß sie nieder, er ermordete sie auf eine diabolische, ausgeklügelte Weise. Er ging dabei so raffiniert vor, daß ich ebensogut wie er der Mörder gewesen sein konnte, und wenn ich gegen ihn auch nur das Geringste unternommen hätte, dann hätte er mir den Mord angehängt.«
»Wie ist ihm das gelungen?« forschte Bertha weiter.
»Sie starb, als sie bei mir war, in meinen Armen«, erwiderte er hart, aber in seiner Stimme lagen echter Schmerz und echte Trauer.
»An Gift?« fragte ich.
»Ja. Er hatte herausgefunden, daß sie mit mir ein Rendezvous hatte, aber tat so, als wisse er nichts davon. Er wollte selber eine Verabredung in seinem Klub wahrnehmen. Da es ihr Geburtstag war, öffnete er eine Flasche Champagner, und sie tranken ein oder zwei Gläser zusammen, ehe er das Haus verließ und sie zu mir kam. Es dauerte fast eine halbe Stunde, ehe das Gift zu wirken begann. Zuerst waren wir ratlos, was ihr fehlen könnte, aber plötzlich erkannte sie, daß sie vergiftet worden war. Ich wollte sofort einen Arzt herbeiholen, doch sie bestand darauf, nach Hause zu fahren und erst von dort ärztliche Hilfe zu rufen. Aber es war schon zu spät.«
Wieder trat eine lange Pause ein. Erst als ich sah, daß sich der bittere Ausdruck in seinem Gesicht etwas gemildert hatte, wagte ich zu fragen: »Was taten Sie später?«
»Eine Zeitlang lebte ich in einem Zustand, der dem Wahnsinn nahekam. Sie hatte mir etwas Geld hinterlassen. Es hätte für einige Zeit ausreichen können, war aber bald verbraucht. Ich versuchte meinen Schmerz zu betäuben, ich wollte vergessen; doch was ich auch unternahm, es half alles nichts. Irgendwie schlug ich mich durch. In einer Bar fand ich dann eine Stellung. Nach einiger Zeit erinnerte ich mich an einige der Lehren, die mir Olive erteilt hatte, und versuchte, sie anzuwenden...versuchte, auf die Menschen zu wirken, sie für mich einzunehmen. Ich lächelte und lachte mit ihnen, tat so, als gehöre mir die Welt. Zuerst fiel es mir nicht leicht, aber ich hatte Erfolg damit, und es gelang mir immer besser. Ich lebte schließlich ganz gut durch diese Methode und verdiente auch nicht schlecht. Bald stellte ich fest, daß ich bei einem bestimmten Typ von Frauen große Chancen hatte. Ich konzentrierte mich immer mehr auf diese. Es waren Frauen erfolgreicher Geschäftsleute, deren Männer so stark davon in Anspruch genommen wurden, mehr und noch mehr Geld zu verdienen, daß sie ihre Frauen darüber vergaßen. Sie sind die einsamsten und bedauernswertesten Frauen, die es auf der Welt gibt. Durch ihre Ehe sind sie gefesselt, an Männer gebunden, die sich nicht um sie kümmern, sie vernachlässigen, fast vergessen haben. Diese Frauen haben unbefriedigte Wünsche an das Leben, sehnen sich nach einem Lebensinhalt, vor allem wollen sie bemerkt und umhegt werden. Sie wollen nicht das Dasein einer lebenden Modepuppe führen.«
»Verstanden Sie Ihr Geschäft als Gigolo?«
»Selbstverständlich, und ich glaube, die Frauen, die mit mir zu tun hatten, sind auch alle auf ihre Kosten gekommen. Ich war freundlich und aufmerksam zu ihnen, habe sie umhegt, habe ihnen das gegeben, was sie sich wünschten. Ich habe sie glücklich gemacht. Gewiß, es war mein Lebensunterhalt, ich tat es für Geld, aber geschädigt? Geschädigt habe ich dabei niemanden. So kam ich dann schließlich in mein jetziges Geschäft. Ich stolperte fast durch einen Zufall hinein.«
»Und wo finden Sie heute Ihre >Kunden«
»Ganz einfach. Ich verfolge die Todesanzeigen. Wenn ein prominenter Mann stirbt, kann ich schon aus dem Text der Todesanzeigen lesen, ob hier für mich eine Chance liegt oder nicht.«
»Sie geben sich also als Freund des Verstorbenen aus?«
»Ja. Kurz nach dem Tode schreibe ich der Witwe einen Kondolenzbrief und
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