Alles oder nichts
zehn.«
»Aber selbst dann...« Er brach plötzlich ab.
»Sie werden sich daran erinnern, daß ich an dem Abend, als Dr. Devarest starb, zu Mrs. Devarest in ihr Schlafzimmer gerufen wurde. Auf einem Stuhl lag ein Korsett, das mit der gleichen rosa Schnur geschnürt wurde.«
»Junger Freund, ich kann Ihnen versichern, daß diese Schnüre durchaus nichts Ungewöhnliches oder Seltenes sind. Viele Frauen mittleren Alters bedienen sich eines Korsetts, um ihre Figur vorteilhafter erscheinen zu lassen. Und manche schwören auf gute altmodische Schnürung anstelle von Reißverschlüssen.«
Ich fixierte ihn unausgesetzt. »Der Fall wird von Inspektor Lisman bearbeitet. Er wird nicht lange zögern und auch Mrs. Devarest als mutmaßliche Täterin überprüfen. Nehmen wir doch einmal an, daß er feststellt, ihr Korsett, das sie ständig getragen hat, ist verschwunden, oder es fehlt die Schnur, die dazugehört. Lassen Sie uns weiter annehmen, daß er ihre Küche durchsucht und keinen Fleischklopfer findet.«
»Lam, das ist völlig unsinnig.«
Ich zündete mir eine Zigarette an und rauchte schweigend, um ihm Zeit zu geben, über meine Worte nachzudenken.
»Selbst wenn beides fehlen sollte, so wäre es ein Arrangement, das jemand getroffen hat, um ihr eine Palle zu stellen.«
»Das mag durchaus sein, aber sie ist Ihre Patientin. Sie haben sie zu schützen.«
»Ich würde keine Mörderin schützen, nur weil sie meine Patientin ist. Aber ich kenne Mrs. Devarest, ich kenne sie sehr gut sogar. Ich weiß, daß sie unmöglich eine Tat begehen könnte, wie Sie sie beschrieben haben.«
»Sprechen Sie jetzt nur als Arzt von Ihrer Patientin?«
»Wie meinen Sie das?«
»Mir scheint, daß sich Ihre Empfindungen für Mrs. Devarest nicht lediglich auf die Anteilnahme eines Arztes an dem Wohlergehen seiner Patientin beschränken.«
Es trat wieder eine längere Pause in unserer Unterhaltung ein. Aber ich ließ ihm Zeit, nachzudenken, während ich meine Zigarette rauchte.
»Was können wir denn tun?« fragte er schließlich.
»So gefallen Sie mir bedeutend besser, Dr. Gelderfield. Hören Sie zu. Ich kann nicht zu Mrs. Devarest gehen. Erstens wird ihr Haus wahrscheinlich von Polizeibeamten beobachtet, und zweitens, selbst wenn ich den Polizisten entkommen würde, käme Inspektor Lisman doch dahinter, daß ich bei Mrs. Devarest gewesen bin. Wenn ich also in Mrs. Devarests Küche nach einem Fleischklopfer suchen und in ihrem Schlafzimmer ihr Korsett untersuchen würde, ob die Schnüre fehlen, so würde ich damit doch genau das unmöglich machen, was ich erreichen will. Sie können aber, ohne aufzufallen, Mrs. Devarest jederzeit aufsuchen. Im Gegenteil, es wäre ganz natürlich, daß ihr Arzt sich nach dem Befinden seiner Patientin erkundigt. Sie könnten auch ohne weiteres in die Küche gehen, um heißes Wasser zu holen. Dabei würde es niemandem auffallen, wenn Sie sich nach dem Fleischklopfer umsehen. Wahrscheinlich gibt es auch in Ihrer Küche einen Fleischklopfer. Sie könnten ihn in Ihre Instrumententasche stecken, und wenn Sie in Mrs. Devarests Küche keinen finden, könnten Sie dafür sorgen, daß wenigstens die Polizei dort einen findet.«
In empörtem Ton antwortete er: »Sie sind völlig verrückt, Lam. Das ist doch mit meiner Stellung als angesehener Arzt unvereinbar.«
»Mrs. Devarest ist Ihre Patientin, Dr. Gelderfield, mehr als das, sie steht Ihnen auch persönlich nahe. Sie ist außerdem meine Klientin. Ich will ihr vierzigtausend Dollar verschaffen und daran meinen Anteil verdienen. Wir haben beide ein großes persönliches Interesse an der Weiterentwicklung der Aufklärung des Falles. Sie wollen nicht, daß Mrs. Devarest verhaftet wird, und ich will es auch nicht. Ich kann hier auf Sie warten, bis Sie mir berichten, was Sie festgestellt haben, und mich anschließend in ein Krankenhaus einweisen. Dort habe ich dann die Zeit und die Ruhe, noch einmal alles zu durchdenken.«
»Mein Beruf erlaubt mir nicht, auf Ihren Vorschlag einzugehen«, antwortete er abweisend.
Offenbar hatte sich Dr. Gelderfield entschlossen, doch etwas zu trinken, denn ich wurde gewahr, wie er die Whiskyflasche öffnete und sich eingoß. Als ich mich umwandte, sah ich gerade noch, wie er das Glas abstellte, ehe er in die Küche hinausging. Ich vernahm, wie er draußen Schubladen öffnete und wieder schloß. Dann ging er die Treppe hinauf und rumorte in einem der oberen Zimmer. Er kam wieder herunter und ging noch einmal in die Küche. Schließlich
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