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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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Beleuchtung des Weihnachtsbaums am Rockefeller Center.
    Ein Pizzaverkäufer, der sich weigerte, meine Pizza mit der Hand anzufassen, weil ich keinen Papp- oder Plastikteller wollte.
    Starbucks-Verkäufer, die nicht wussten, was sie mir für meinen Kaffee berechnen sollten, weil nie jemand mit Starbucks’ eigenen wiederverwendbaren Bechern in die Läden kam.
    Wie waren wir nur in diese absurde Situation gekommen? Das No Impact Project lief erst seit wenigen Wochen, aber schon jetzt hatte ich das Gefühl, dass das sogenannte Normale in Wirklichkeit völlig verrückt war.
     
    Ich holte Isabella von Peggy ab, lief mit ihr die sechs Etagen hinunter, und als wir aus dem Haus traten, fing es an zu schütten. Da ich Isabella auf den Schultern trug und einen Schirm dabeihatte, konnte ich sie zumindest davor bewahren, in dem Guss zu ertrinken, aber bis wir zu Hause ankamen, würden wir beide klatschnass sein. Erstaunlicherweise gab es jede Menge freie Taxis auf der Sixth Avenue, aber die waren ja nun mal für uns tabu, also hielt ich den Schirm, so gut es ging, über uns und machte mich auf den Heimweg.
    Nach kurzer Zeit begann Isabella zu weinen. Kein Wunder. Ihr Ökoheld von Vater ließ sie frieren und nass werden. Ein Ökoheld, dachte ich beschämt, ist ein schlechter Vater. Ich versuchte, den Schirm so zu halten, dass Isabella besser geschützt war, aber sie weinte nur noch mehr. Das ging ein, zwei Blocks so weiter. Dann klappte eine Windbö den Regenschirm um, der Regen prasselte auf uns herab, und Isabella verstummte. Ich kämpfte mit dem Schirm, bis ich ihn wieder über unseren Köpfen hatte, und sie fing wieder an zu weinen. Ich lief, so schnell ich konnte. Überall um uns herum flüchteten Leute vor dem Guss, winkten hektisch ein Taxi herbei oder hielten sich eine Zeitung über den Kopf.
    Wieder riss der Wind den Schirm weg. Regen klatschte uns ins Gesicht. Und wieder hörte Isabella auf zu weinen. Da endlich begriff ich. Isabella weinte nicht, weil sie nass wurde, sondern weil der Schirm sie daran hinderte, nass zu werden.
    An einem anderen Tag in derselben Woche wollte ich mit Isabella in den Park. Sie tapste neben mir über den Gehsteig. Wir waren noch keinen halben Block weit gekommen, da blieb sie stehen, um mit der kleinen Kette eines Hydranten zu spielen. Sie tippte die Kette mit dem Finger an, so dass sie hin und her schwang. Geduldig wartete sie, bis die Kette zum Stillstand kam, dann tippte sie erneut dagegen und beobachtete fasziniert das Schauspiel. Ich versuchte, sie mit mir fortzuziehen, damit wir in den Park gehen konnten.
    Sie fing an zu weinen.
    Ich gab nach, und sie lief zu der Kette zurück und begann ihr Spiel von Neuem. Ich wollte endlich in den Park, damit wir dort unseren Spaß haben konnten. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich begriff, dass Isabella bereits ihren Spaß hatte.
    In welchem Alter hatte ich angefangen zu glauben, dass das, was vor mir lag, wichtiger war als das, was ich jetzt gerade tat? Wann hatte ich angefangen zu glauben, das Wichtigstean dem, was ich gerade tat, war, es hinter mich zu bringen? Wir müssen unseren Kindern nicht beibringen, wie man lebt. Wir müssen aufpassen, dass wir es ihnen nicht abgewöhnen.
    An dem Tag, als es so stark regnete, klappte ich schließlich den Schirm zu. Isabella hörte auf zu weinen. Das ist es, was passiert, wenn man an einem Regentag zu Fuß geht, anstatt sich motorisiert fortzubewegen: Manchmal wird man nass. Und an jenem Regentag verstand ich endlich, dass mein Körper mehr war als ein Transportmittel für meinen Kopf und dass die Landschaft mehr war als der Raum, der mich von meinem nächsten Ziel trennte.
    Ich nahm Isabella von meinen Schultern und ließ sie in eine Pfütze springen, bis ihre Schuhe und ihre Hose völlig durchnässt waren. Aus lauter Jux sprang ich ebenfalls in die Pfütze. Isabella lachte. Sie reckte die Hände in die Luft, um die Tropfen aufzufangen. Sie öffnete den Mund, streckte die Zunge heraus und legte den Kopf in den Nacken. Ich tat es ihr gleich. Leute hasteten mit missmutiger Miene an uns vorüber, nichts anderes im Sinn, als dem Regen zu entkommen. Was war nur mit uns geschehen? Wann war das Kind in mir verschwunden?
     
    Wir bekamen eine Einladung zu einer Geburtstagsparty mit Freunden und ihren Kindern in Brooklyn. Ein schöner einstündiger Spaziergang über die Brücke. Wir wollten hingehen. Doch am Tag der Party regnete es wieder, diesmal sogar mit Gewitter, also blieben wir zu Hause. Ein Opfer. So

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