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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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fühlte es sich zunächst an.
    Wir verbrachten den Tag in der Wohnung. Frankie versteckte sich vor dem Donner in der Badewanne, Isabella spielte mit ihren Bauklötzen. Das Wasser rann in Bächen an den Fenstern hinunter, und wir lasen. Das war kein Opfer. Das war eine Wohltat. Ohne irgendeine motorisierte Kiste, die uns durch den Regen dorthin brachte, wo wir laut Terminkalender sein sollten, konnten wir einfach faulenzen. Wir hatten eine gute Entschuldigung, zu Hause zu bleiben.
    Hier in New York gibt es zwei Rhythmen. Der eine ist der schnelle Rhythmus der Aufzüge und U-Bahnen und Taxis und Kurierdienste und Stehimbisse. Samstagsfrühstück mit einer Gruppe von Freunden, Mittagessen mit einer anderen, Abendessen und Kino mit einer dritten. Dasselbe am Sonntag. Wenn man dann am Montagmorgen zur Arbeit geht, ist man fix und fertig. Das ist der Techno-Rhythmus.
    Dann gibt es noch den Klassik-Rhythmus. Das ist der, wo man nass wird, wenn es regnet, oder einfach zu Hause bleibt. Wo es ziemlich lange dauern kann, irgendwohin zu kommen, weil man zu Fuß geht. Wo man mit den natürlichen Rhythmen des Lebens verbunden ist, wo man tatsächlich spürt, welche Jahreszeit es ist, sogar in Manhattan.
    Isabella baute mit ihren Klötzchen einen Löwen. Michelle schlief auf dem Sofa ein. Wie seltsam und wunderbar es war, mit meiner kleinen Familie hier, mitten in New York, im Rhythmus des Wetters zu leben.
    Hier also meine Theorie:
    Damals, in den Zeiten vor der Rund-um-die-Uhr-Mobilität, dem Handy und dem Kaffee in Mitnehmbechern, gab es zwischen den Phasen des Stresses auch Phasen der Ruhe. Vielleicht musste man bei der Arbeit einen Vortrag halten, oder man war zu einer tollen Party eingeladen, oder man hatte Streit mit seiner Freundin, aber dazwischen gab es Pausen. Man konnte nicht gleichzeitig Kaffee trinken, übers Handy telefonieren und in ein Taxi springen, um zum nächsten Termin zu hetzen.
    Meiner Theorie zufolge haben uns die motorisierten Kisten, die unsere Gehirne von hier nach dort transportieren, und die tragbaren Elektronikgeräte, die uns jederzeit erreichbar machen, der Muße beraubt. Diese kleinen Perioden, die die Alltagshektik immer wieder unterbrechen, wie eine rote Ampel in regelmäßigen Abständen den Verkehr zum Halten bringt, sind ausgelöscht worden. Jetzt folgt ein Hochleistungsmoment dem nächsten wie Perlen auf einer Kette.
    Ist das gut für uns? Macht uns das glücklich?
    Mittlerweile nehmen so viele Leute Prozac, dass unverarbeitete Reste dieses Beruhigungsmittels, die mit dem Urin ausgeschieden werden, im Trinkwasser nachgewiesen werden können. So viele Leute sind deprimiert, dass das Prozac in ihrem Urin unser Wasser verseucht! Ein befreundeter Psychiater hat mir gesagt, dass die enormen Depressionsraten in unserer Gesellschaft aus einer Kombination von zwei Faktoren resultieren: biologische Veranlagung und Lebensumstände, die die konkreten Symptome auslösen. Stress ist nach seiner Aussage einer der Auslöser. Der allgegenwärtige Stress in unserer Kultur trägt also einen großen Teil zu unseren Depressionsraten bei.
    Was das Prozac und das Trinkwasser angeht, sehe ich zwei Möglichkeiten zur Verbesserung der Lage.
    Wir könnten uns die Zeit zurückholen, die wir früher mit Spazierengehen oder Im-Café-Sitzen verbracht haben, ohne dass irgendein elektronisches Spielzeug ständig unsere Aufmerksamkeit gefordert hat. Wir könnten von Techno zu Klassik wechseln. Wir könnten wieder Freiräume in das Leben der Leute bringen, damit sie auch ohne Medikamente zurechtkommen und kein Prozac in die Kloschüssel pinkeln. Das würde weniger Effizienz bedeuten.
    Oder wir könnten einfach sagen: Sei’s drum. Wir wissen, dass Karies unvermeidlich ist, also kippen wir Fluoride ins Trinkwasser, um das Schlimmste zu verhindern. Dasselbe könnten wir auch mit den Depressionen machen. Wir könnten uns damit abfinden, dass Effizienz – und der damit verbundene Stress – wichtiger ist als Lebensfreude. Wir könnten uns damit abfinden, dass das moderne Leben ein harter Kampf ist und Depressionen eben dazugehören. Anstatt uns Sorgen wegen Prozac im Trinkwasser zu machen, könnten wir das Ganze einfach umdrehen und das Zeug tonnenweise ins Wasser kippen, genau wie die Fluoride.
    Auf die Weise würden wenigstens Nervensägen wie ich aufhören sich zu beschweren und stattdessen ihre Arbeit tun.
     
    Wahre Effizienz – 1. Teil:
    Die zweite Frau des berühmten Melancholikers Kurt Vonnegut sagte einmal zu ihm, er

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