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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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Sogar das Einmachglas, aus dem ich meinen Kaffee trinke, hat jetzt eine Geschichte. Oder mein Rasiermesser, das plötzlich alle meine Freunde auch haben wollen. Diese Geschichten wecken in mir den Wunsch, Dinge zu bewahren und zu pflegen, anstatt sie wegzuwerfen. Vielleicht ist es das, was Juliet Schor meinte, als sie sagte, dass allem Materiellen auch etwas Spirituelles innewohnt.
     
    Zu den Gründen, weshalb wir konsumieren:
    In einer Pepsi-Werbung liegt ein Mann im Bett, und sein Wecker klingelt. Immer wieder drückt er auf die Schlummertaste. Schließlich hetzt er ungewaschen und ungekämmt zur Arbeit, kommt zu spät zu einer Sitzung und wird entlassen. Schnitt. Derselbe Typ, wieder klingelt der Wecker, er trinkt eine Dose Pepsi (oder irgendein Pepsi-Produkt), springt aus dem Bett, wirft sich in einen todschicken Anzug, kommt pünktlich zur Sitzung, hält seinen Vortrag, und alle klatschen.
    Das Interessante an diesem Spot ist, dass man im ersten Moment denkt, okay, wenn ich Pepsi trinke, bin ich erfolgreich. Aber der Erfolg ist gar nicht die Belohnung, sondern der Applaus. Wenn du Pepsi trinkst, lautet die Botschaft, bist du erfolgreich,
und dann lieben dich alle
.
    In Annie Leonards Online-Video
Story of Stuff
geht es genau um diesen Punkt. Alle Werbespots und -anzeigenfunktionieren nach demselben Prinzip: Du bist eine Niete, aber wenn du dieses Produkt kaufst, bist du toll, und alle lieben dich. Was die Werbung nicht sagt, ist, weshalb wir diese Liebe überhaupt brauchen. Wir brauchen sie, weil in unserem Leben kein Platz für Liebe ist, denn wir rackern uns die ganze Zeit ab, um uns die Dinge kaufen zu können, die uns – angeblich – Liebe bringen.
    Es klingt vielleicht radikal, aber wer dieses Projekt so lange mitgemacht hat wie ich, kommt zwangsläufig zu folgendem Schluss:
    Wenn uns die Liebe so wichtig ist, warum lassen wir die Zwischenstufe – die Produkte – nicht einfach weg und schauen, was passiert?
     
    Noch eine Episode zum Thema Dinge mit Geschichte:
    Ich brauchte eine Teekanne mit Sieb. Ich züchtete ja meine Minze auf der Fensterbank und hoffte wider alle Vernunft, dass wir eines Tages vielleicht doch auf den Kaffee verzichten würden, also brauchte ich die nötigen Gerätschaften, um Pfefferminztee kochen zu können.
    Theoretisch hätte ich natürlich einfach zu Bed, Bath & Beyond gehen und mir eine Teekanne kaufen können. Aber da wir ja nun mal beschlossen hatten, nichts Neues zu kaufen, ging ich auf die Website von Freecycle. Freecycle ist eine Art Verschenkplattform, wo man entweder Dinge reinstellen kann, die man nicht mehr braucht, oder man trägt ein, was man sucht, in der Hoffnung, dass jemand anders genau so etwas loswerden möchte.
    Also schrieb ich, dass ich einerseits eine Teekanne mit Sieb suchte und andererseits einen Walkman-Kopfhörer hatte, den ich nicht mehr brauchte. Wenig später mailte mir eine Frau, dass sie eine Teekanne mit Sieb abzugeben hätte und in der Fourteenth Street, Nähe Hudson, wohnte. Ob ich nicht rüberkommen und sie abholen wollte?
    Als ich mich auf den Weg machen wollte, fragte Michelle: »Wie sieht die Kanne denn aus?«
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich danach gar nichtgefragt hatte. Interessant. Offenbar war ich einfach darauf eingestellt, die Dinge zu nehmen, wie sie kamen. Nun, wie sich herausstellte, war die Teekanne ein ganz klassisches Gebilde aus blauer Keramik. Und es gab sogar zwei Teesiebe zur Auswahl.
    Ich fragte die Frau, die von oben bis unten mit Farbe bekleckst und anscheinend Künstlerin war, ob sie schon etwas über Freecycle bekommen hätte. Ja, erwiderte sie, ein Wohnmobil (!) und zwei Ratten.
    Ich trug die blaue Teekanne nach Hause, und von nun an konnte ich jedes Mal, wenn ich Pfefferminztee kochte, eine Geschichte erzählen. Kurze Zeit später holte eine Frau den Kopfhörer bei mir ab, und hinterher mailte sie mir, wie sehr sie sich darüber freute und dass sie noch nie zuvor etwas umsonst bekommen hätte.
     
    Eines Abends kam ich nach Hause, und auf dem Tisch lag eine dicke, fette Sonntagsausgabe der
New York Times
, obwohl Zeitungen nach den Projektregeln verboten waren. Bisher hatten wir Zeitungen aus den Papierkörben gefischt, wenn wir welche fanden.
    Michelle brauchte immer noch ab und an ihre Dosis Unterhaltung. Dafür hatte ich absolut Verständnis. Doch an dem Abend kriegte ich einen Rappel, weil ich fand, dass Regeln nun mal dazu da waren, eingehalten zu werden. Außerdem hatte ich Angst, dass jemand uns

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