Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Erfolgsgeschichten und so weiter. Ich zum Beispiel begeisterte mich zu dem Zeitpunkt für Geschichten, die zeigten, dass alles gut wurde, wenn wir einfach nur weniger konsumierten. Wir erzählen uns solche Geschichten, weil wir daran zweifeln, dass wir das Richtige tun, wenn wir unsere Unwissenheit einfach akzeptieren. Ein Zen-Meister sagte einmal zu mir, genau das sei der Sinn und Zweck des Übens: sich mit der Unwissenheit anzufreunden.
Doch worauf Pema hinauswollte, war Folgendes: Wenn etwas wie der Anschlag auf das World Trade Center passiert, ist die Information einfach zu groß und zu verwirrend für unsere Geschichten. Es gibt keine Möglichkeit, es zu verstehen und in eine Geschichte einzubauen, und dann werden wir mit unserer angeborenen Grundlosigkeit konfrontiert, mit unserer Unwissenheit.
Was geschieht in so einem Moment? Nun, was mich betrifft, so wollte ich am 11. September nicht allein in meiner Wohnung sitzen. Ich wollte Menschen um mich haben, also ging ich hinaus auf die Straße und sprach den ersten Passanten an, der mir begegnete. Wir versuchten, zu der Unglücksstelle zu kommen, und immer mehr Leute schlossen sich uns an. Niemand wusste, was los war, und man konnte sehen, dass es allen anderen genauso ging, und irgendwie saßen wir alle im gleichen Boot.
Und in so einem Moment versteht man plötzlich, worum es in diesem Leben geht: dem ebenso ratlosen Menschen neben einem die Hand zu reichen und zu versuchen, das Ganze gemeinsam durchzustehen. Das, sagte Pema in dem Video, ist das einzig Sinnvolle.
Als ich nach Hause kam, lag Michelle im Bett. Isabella schlief daneben in ihrem Kinderbett. Michelle richtete sich auf, und ihre Augen waren gerötet und ihre Wangen tränennass.
Ich setzte mich zu ihr und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Was ist los, mein Schatz?«
»Es tut mir leid wegen der Zeitung.«
»Um Himmels willen, sei nicht albern.«
»Ich ertrage den Gedanken nicht, dass Isabella noch mal so etwas zustoßen könnte.«
Sie meinte den Vorfall in Italien. Sofort wurden auch meine Augen feucht.
»Sie ist so klein«, sagte Michelle.
»Ihr geht es gut, mach dir keine Sorgen«, sagte ich, aber woher wollte ich das wissen?
»Ich habe einen Artikel über einen Mann gelesen, dessen Tochter Krebs hat, und die Krankenversicherung will nicht zahlen, weil die Behandlungsmethode nicht offiziell anerkannt ist. Ich bin mitten bei der Arbeit in Tränen ausgebrochen.«
Sie fing wieder an zu weinen.
»Was mache ich, wenn Isabella so etwas passiert? Oder dir?«
»Das wird nicht passieren«, sagte ich, denn was hätte ich sonst sagen sollen?
»Das ist der Grund.«
»Der Grund wofür?«, fragte ich.
»Für das Fernsehen. Die Bücher. Die Zeitungen. Das Kaufen«, sagte sie. »Manchmal verkrafte ich das alles einfach nicht. Wie verkraftest du das?«
Ich schloss sie in die Arme.
8.
Das Licht geht aus
Gerade als wir uns anschickten, den Strom abzuschalten, erschien endlich der Artikel, den ich für die
New York Times
geschrieben hatte. Sie hatten ihn leider um einiges gekürzt und im Lokalteil der Sonntagsausgabe untergebracht, anstatt auf der Meinungsseite, aber das machte mir nicht viel aus. Für mich war ein Traum wahr geworden –
mein
Artikel in der
Times
!
Ein paar Freunde riefen mich an. Ich freute mich, nicht nur über meine höheren Weihen, sondern auch darüber, dass ich meinen persönlichen Schritt zur gesellschaftlichen Veränderung darlegen konnte, jenseits von allen politischen Versuchen in dieser Richtung. Dann klingelte das Telefon.
Zweimal.
Der erste Anruf kam vom WNYC, dem New Yorker Ableger des öffentlichen Rundfunks. Die
Brian Lehrer Show
, eine morgendliche Talksendung, wollte mich am nächsten Donnerstag für eine halbe Stunde im Studio haben, um über meinen Artikel und das Experiment zu sprechen. Ich war nervös. Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass ein Autor über ein Buch sprechen soll, das er noch gar nicht geschrieben hat. Und ich betrachtete mich noch immer als ganz normalen Bürger, nicht als Fachmann für Umweltprobleme und deren mögliche Lösungen.
Dann kam der zweite Anruf.
Am anderen Ende war die Journalistin von der
New York Times
, die uns seit einer Weile begleitete. »Die Story kommt am Donnerstag«, sagte sie. »Und zwar auf der ersten Seite des Home & Garden-Teils.«
»Ist das was Besonderes?«, fragte ich Michelle später.
»Klar ist das was Besonderes«, sagte sie.
Am Donnerstagmorgen hatte ich noch kurz Zeit, den Artikel in
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