Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Hause kamen, brachten wir Isabella zu Bett und saßen noch eine Weile bei Kerzenschein zusammen und unterhielten uns.
Eines Abends gingen wir mit einem Einmachglas in den Gemeinschaftsgarten, weil die Glühwürmchenzeit begonnen hatte. Wir fingen ein paar von den kleinen Leuchtpünktchen, Isabella bestaunte sie durch das Glas, und dann ließen wir sie wieder frei. »Das ist toll, Daddy«, strahlte sie mich an. Wir blieben noch eine ganze Weile in dem kleinen Park, weil es wenig verlockend war, in eine dunkle Wohnungzurückzukehren, und hörten ein paar japanischen Musikstudenten zu, die etwas von Bach spielten.
Die Techno-Welt konnte uns nicht erreichen. Es war, als hätten wir eine Auszeit genommen. Der Sommer war da, und dank des Bauernmarktes schwelgten wir in frischem Obst. Ich verbrachte viel Zeit mit Isabella, da ich im Dunkeln ohnehin nicht arbeiten konnte.
»Daddy«, sagte Isabella, als wir am ersten Abend der stromlosen Phase nach Hause kamen, »mach das Licht an.«
»Wir haben kein Licht mehr, Süße«, sagte ich. »Wir haben nur noch Kerzen.«
Als wir am nächsten Abend nach Hause kamen, sagte Isabella, ohne mit der Wimper zu zucken: »Daddy, mach die Kerzen an.«
Wir aßen bei Kerzenschein um den Tisch und aßen Blaubeeren und Erdbeeren und Pflaumen. Dann ging Isabella schlafen, und Michelle und ich unterhielten uns. An den meisten Abenden waren wir um zehn im Bett. Die Leute sagten uns immer wieder, wie gut wir aussähen.
Eines Samstagmorgens, als Michelle und ich auf dem Markt waren, rollte eine sehr elegante, eindrucksvolle Frau in einer Art dreirädriger Fahrradrikscha an uns vorbei, in der sie nicht nur ihre Einkäufe, sondern auch ihren kleinen Sohn und einen Cairn-Terrier untergebracht hatte.
»Das ist die Frau«, flüsterte Michelle mir zu.
Sie hatte die Frau mit ihrer Rikscha nämlich schon mehrfach in der Stadt gesehen. Wir hatten für Michelle auf einem Flohmarkt ein gebrauchtes Schwinn-Fahrrad erstanden, aber sie traute sich nicht, Isabella auf dem Kindersitz mitzunehmen. Sie hatte zu mir gesagt, wenn sie ein so cool und sicher aussehendes Gefährt wie das von dieser Frau haben könnte, würde sie es vielleicht versuchen.
»Na, dann los«, sagte ich zu Michelle und lief hinter der Frau her.
Als ich sie eingeholt hatte, fragte ich sie nach ihrem Rad, und sie erzählte mir, sie hätte es sich von einem genialen Fahrradbastler namens George Bliss anfertigen lassen. DerMann war in New Yorker Radfahrerkreisen offenbar eine Berühmtheit, denn er hatte als Erster solche Fahrradrikschas auf die Straßen gebracht.
»Sie können sich auch eins von ihm bauen lassen«, sagte die Frau.
»Nein, das kann ich leider nicht«, erwiderte ich. »Ich darf nämlich nichts Neues kaufen.«
Ich erzählte ihr von dem Projekt und erklärte ihr, dass wir nur gebrauchte Dinge kauften. »Sie haben nicht zufällig noch irgendwo ein zweites Exemplar herumstehen, das Sie uns verkaufen würden?«, scherzte ich.
»Doch, das habe ich in der Tat«, sagte sie.
Wenige Tage später rollte ich auf einem dreirädrigen Gefährt durch die Stadt, meine begeisterte kleine Tochter auf der Rückbank. Michelle probierte es ebenfalls aus, und kurz danach erklärte mir meine Frau, die noch vor gar nicht so langer Zeit verkündet hatte, dass weder sie noch ihre Tochter jemals in New York auf ein Fahrrad steigen würden: »Du kannst dir ein eigenes Rad suchen. Das hier ist meins.«
Aber ich war auch angefixt. Die Rikscha war der perfekte Ersatz für motorisierte Fortbewegungsmittel in Manhattan. Man konnte problemlos seine Einkäufe darauf transportieren, und mit Isabella herumzufahren, machte uns beiden großen Spaß. Also ging ich zu George Bliss und seinem Fahrradladen The Hub Station und erklärte ihm mein Problem, dass ich nichts Neues kaufen durfte. »Was hielten Sie davon, mir so ein Ding zu bauen, aber nur aus gebrauchten Teilen?«, fragte ich ihn. Wie sich zeigte, gefiel ihm diese Herausforderung.
Er besorgte sich ein gebrauchtes Lastenfahrrad, fischte ein paar Sperrholzplatten aus einem Müllcontainer, kramte irgendwo eine Dose grüne Farbe hervor, und ein paar Wochen später spielte ich Rudolf das Rentier für Isabella und ein paar von ihren Freundinnen, die fanden, die neue/alte Rikscha sähe aus wie der Schlitten des Weihnachtsmanns.
Plötzlich war Manhattan für mich und meine kleine Familie buchstäblich zu einer Insel geworden. Wir waren mobilerals je zuvor. Fast jeden Abend lümmelten wir auf dem Rasen des
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