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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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zu Großmut aufgelegt. Er sagte: »Man weiß nie, wer die Kettenreaktion auslöst. Jeder von uns muss es auf seine Weise versuchen. Wer weiß, vielleicht bist du ja derjenige.«
    An einem dritten Tag zupften wir Unkraut. Ich fragte Mayer, warum er nach 35 Jahren Antikriegsdemos noch immer nicht aufgegeben hatte.
    »Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber es gibt immer noch Krieg«, sagte ich ein wenig bissig. Seine Bemerkung von neulich hatte mich doch ziemlich getroffen.
    »Ich habe schon lange aufgehört zu glauben, dass die Welt sich ändert«, erwiderte Mayer. »Aber irgendwann habeich begriffen, dass ich trotzdem weiter versuchen muss, sie zu ändern, weil ich einfach nicht anders kann. Es liegt in meiner Natur, es immer wieder zu versuchen.«
     
    Hier ein paar Gedanken, die einem im Kopf herumgehen, wenn man vorhat, den Strom abzustellen:
    Man fragt sich andauernd, ob das Ganze überhaupt irgendetwas ändert oder ob es womöglich sogar kontraproduktiv ist. Irgendwann kapiert man, dass man einfach nicht wissen kann, ob man es schafft, irgendetwas in dieser Welt zu verändern. Und schließlich landet man bei der einfachen Frage, die in Mayers Antwort enthalten ist.
    Will man jemand sein, der es versucht, oder nicht?
     
    Eine Party bei uns zu Hause.
    Wir hatten schon mehrere in verschiedenen Phasen des Projekts. Zum Beispiel eine Mitbring-Party, bei der jeder etwas zu essen mitbringen musste, dessen Zutaten aus dem Umkreis von 400 Kilometern stammten. Wir hatten Hunderte von Scharaden- und Scrabble-Abenden. Freunde waren jederzeit zum Essen eingeladen. Und jetzt feierten wir den Beginn der stromfreien Phase. Am Ende des Abends sollte der Hauptschalter umgelegt werden.
    Wir lachten und scherzten. Wir spielten Scharade. Alle machten mit. Die meisten von unseren Freunden unterstützten unser Projekt.
Ich
möchte es nicht machen, sagten sie oft, aber ich bin froh, dass
ihr
es macht.
    Bei der Mitbring-Party ein paar Wochen zuvor hatte mein Freund Sean eine Apfelsauce mitgebracht, die er während der Erntezeit eingekocht hatte. Auch die Äpfel hatte er selbst gepflückt. »Ist alles regional, außer dem Zimt«, sagte er mit schuldbewusster Miene. Jemand anders kam mit Frittatas aus regionalen Eiern, wieder andere brachten selbstgezogene Sprossen mit. Ein Großteil der Gespräche drehte sich darum, wer was wo bekommen hatte und wie die Rezepte umgemodelt worden waren, um etwas aus dem Vorhandenen zu zaubern.
    Natürlich gab es bei den Partys auch immer Gespräche über das Projekt selbst. Robin, Michelles Chef, erzählte uns, dass er einem Freund von unserer speziellen Mitbring-Party berichtet hatte. Darauf hatte der Freund schnippisch erwidert: »Ach, das ist doch albern. Sind ihre Möbel vielleicht auch regional?«
    Sean bemerkte dazu: »Ich finde euer Projekt wirklich klasse, aber am Anfang war ich auch genervt. Doch ich bilde mir ein, dass ich genug Selbsterkenntnis habe, um nachzubohren und zu schauen, was dahintersteckt.«
    »Ich glaube, dass wir alle mehr oder weniger gute Verdränger sind«, fuhr er fort. »Uns allen ist klar, dass anderswo auf der Welt Menschen hungern und nicht wissen, woher sie etwas zu essen bekommen sollen. Gleichzeitig kaufen wir uns für zehn Dollar eine CD, die wir uns vielleicht dreimal anhören. Dabei hätten genau diese zehn Dollar jemandem das Leben retten können. Wir alle wissen das, aber wir wissen nicht, was wir dagegen tun sollen. Und dann kommt jemand mit so einem blödsinnigen Projekt daher, und unsere wacklige Verdrängungsmaschinerie bricht zusammen. Wir haben ein schlechtes Gewissen, und unsere erste Reaktion ist Wut auf denjenigen, der diese Gefühle in uns ausgelöst hat.«
    Nun war also wieder Party, aber bevor das Licht ausging, spielten wir alle möglichen Spiele und lachten, bis uns die Tränen über die Wangen liefen, und all diese New Yorker, die sonst so getrieben waren, saßen gemütlich beisammen und amüsierten sich. Das war eines der Geschenke dieses Projekts. Wir hatten den Fernseher und noch ein paar andere Dinge abgeschafft, und im Gegenzug bekamen wir Zeit mit unseren Freunden. Wenn man einem Kanal die Energie abzieht, bekommen die anderen mehr. Wenn man das Unkraut aus seinem Garten entfernt, haben die Blumen mehr Raum zu wachsen.
    Doch gleichzeitig fühlte ich mich seltsam und ein wenig beschämt. Das mit dem Stromabschalten kam mir immer noch so extrem vor. Befangen drückte ich jedem eineBienenwachskerze in die Hand. Gemeinsam zählten wir den

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