Alles paletti
über die Brücken der Bronx. Neben Izzi sitzt ein Schwarzer, der keinen Fingerbreit zu rücken bereit ist. Izzi flüstert: »Beknackter Wichser.« In einer Hand hält er einen Pappbecher mit Kaffee, der fünfzig Cent im Deli der Koreaner gekostet hat. Im Deli war eine Drogensüchtige, die nach Salz suchte. Sie sagte: »Ich liebe euch.« Der koreanische Verkäufer erwiderte: »Ich liebe dich auch.«
»Wie steht’s, Schlomi?«
»Alles unter Kontrolle, gelobt sei Er.«
Sie befinden sich mit dem gelben Lastwagen von Ryder auf dem Weg nach Queens. Izzi findet den HipHop-Kanal, 97.1 FM, ein Lied von The Mice, »Tell Me What You Want from Me«.
»Lass doch dieses Bimbozeug, stell auf 103.5, hören wir uns ein bisschen bekannte Songs an. Vielleicht kommt ja der eine von der ›Titanic‹ oder so.«
»Hast du das nicht schon oft genug gehört?«
Schlomi blickt in die Spiegel und bittet Izzi: »Schau doch mal schnell, ob’s nach links geht.«
Izzi schaut nach links. Frei. Doch nachdem der gelbe Laster links abgebogen ist, hören sie die Polizeisirene.
»Ich glaub’s nicht«, Schlomi blickt in den Rückspiegel. »Shit.«
Izzi fährt sich durchs Haar, streicht es nach hinten glatt. Er sagt: »Bloß keine Klugscheißerei jetzt, Schlomi.«
»Führerschein und Papiere bitte«, hören sie die Stimme.
Schlomi diskutiert nicht. Er zahlt dem Polizisten auf der Stelle die sechsundsiebzig Dollar Strafe für verbotenes Linksabbiegen. Danach bemerkt er: »Wenigstens sind die Polizisten in New York keine solchen Scheißkerle wie in New Jersey oder Ohio«, und lässt den Motor wieder an.
Letzte Woche hatte Schlomi einen Unfall in New Jersey. Ein Auto fuhr ihm drauf, und danach fuhr er aus Versehen fast in den eintreffenden Polizeiwagen hinein. Der Polizist nahm ihn erst einmal fest. Schlomi glaubt, dass das alles von Ihm kommt, gelobt sei Er. Dass Er ihn auf die Probe stellt. Er akzeptiert es mit Liebe. Izzi hat einmal zu ihm gesagt: »Wenn das alles Prüfungen von oben sind, dann ist das wohl ein besonders schwieriges Projekt von Gott.«
Lisa und Karl Lemmon, die Alten aus Queens, ziehen nach Florida in ein Seniorenheim, wie viele Amerikaner auf ihre alten Tage. Niemand spricht es deutlich aus, aber sie werden in Florida sterben. Das kann nächsten Monat geschehen oder in fünf Jahren - so oder so, es ist der letzte Umzug ihres Lebens. Wenn der Durchschnittsamerikaner zwölfmal in seinem Leben die Wohnung wechselt, so ist der Umzug nach Florida mit plus/minus achtzig der zwölfte. Der nächste Umzug geht auf den Friedhof seiner Wahl.
Das Wetter in Florida tut alten Leuten gut. Es regnet zwar häufig und gibt ein oder zwei Tornados im Jahr, doch die Temperaturen fallen nie in Bereiche, die in die alten Knochen kriechen und heftige Schmerzen verursachen wie in den Wintern New Yorks, Chicagos oder Seattles. Deshalb hat Florida die blühendste Seniorenheimindustrie der Welt.
Schlomi ist, wie üblich, bezaubernd. Lisa und Karl verlieben sich innerhalb von fünf Minuten in ihn. Schlomi hier und Schlomi da, Schlomi dies und Schlomi das. Und was meint Schlomi zu der Idee, die Porzellanteller auf diese Art einzupacken, und was denkt Schlomi, wann sie nach Florida aufbrechen werden, und vielleicht möchte Schlomi ja einen Apfelsaft? Lisa Lemmon ist eine kleine Frau, ihre Augenbrauen sind nachgezogen, und sie trägt eine Brille. Karl ist groß und hager, auch er hat eine Brille, mit dickeren Gläsern, und geht am Stock. Er wirkt müder als seine Frau. Wie bei Amerikanern ihrer Altersgruppe häufig anzutreffen, ist ihr Englisch nicht frei von dem europäischen Akzent, mit dem sie in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eintrafen. Schlomi ist natürlich der Chronist ihrer Geschichte, und sie erzählen sie ihm nur zu gerne. Einmal hat er zu Izzi gesagt: »Der Weg, die Menschen zu öffnen, ist, ihnen Fragen zu stellen. Die Leute
lieben es, von sich selbst zu reden. Wenn sie jemanden finden, der ihnen zuhört, öffnen sie sich wie Blumen. Übrigens, auch Mädchen sind so. Ich benutze das nicht mehr, gelobt sei Er, aber nur, damit du Bescheid weißt.«
Lisa und Karl sind 1943 aus Deutschland gekommen. »Mitten im Krieg?«, fragt Schlomi. »Ja«, antwortet Lisa. »Aber wie?«, fragt Schlomi. »Es gab die ganze Zeit Deutsche, die ausreisten«, sie senkt die Augen, »denen nicht gefiel, was das Regime machte. Die von dort wegwollten.«
Es ist eine ungeheuere Arbeit. Das komplette Haus muss eingepackt werden - alle Möbel in
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