Alles so schoen rund hier - Mein erstes Schwangerschaftsabenteuer
warm, und es riecht nach Babycreme. Ich setze mich vom Beifahrersitz nach hinten, um nach Christopher zu sehen. Er wirkt schon viel weniger Furcht einflößend als vor dem Arztbesuch. Eigentlich wirkt er gar nicht mehr Furcht einflößend. Er ist einfach nur sehr klein und zerbrechlich. Ich bekomme einen Kloß im Hals.
»Ach, Baby«, sage ich und halte ihm meinen Finger hin, damit er ihn umklammern kann. »Es tut mir so leid. Was war ich nur für eine dumme Kuh.«
Seine ausgestreckten Finger greifen nach dem meinen und umschließen ihn fest. Er sieht mich mit seinen dunkelblauen Knopfaugen an. Ich zwinge mich, ihn anzulächeln. So schwer ist das gar nicht. Er mustert mich ruhig. Vielleicht war er immer schon so ruhig. Vielleicht bin ich diejenige, die wütend und verängstigt ist. Vielleicht habe ich mir so viel Sorgen um sein Geschrei gemacht, dass ich ganz übersah, wie gefährlich meines
ist. Ich wiege über neunzig Kilo, er nicht mal neun. Wir sitzen im Auto und sehen uns eine ganze Viertelstunde lang an. So lange braucht Martin, um alles zu besorgen. Und keiner von uns weint.
Als wir nach Hause kommen, steht der Wagen meiner Mutter in der Einfahrt.
Sie ist so nervös wegen meiner seelischen Verfassung, dass sie persönlich vorbeischaut, um zu erfahren, was die Ärztin gesagt hat. Ich umarme sie.
»Hallo, Mum.«
Sie mustert mich misstrauisch.
»Was ist passiert Was hat sie gesagt«
Ich erzähle ihr alles bei einer Tasse Kaffee. Jetzt, wo ich nicht mehr stille, kann ich einen Kaffee trinken, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich bin erstaunt, wie erleichtert sie ist. Ihre Erleichterung ist riesig.
»Hast du dir solche Sorgen gemacht«, sage ich verwundert.
Inzwischen kommen ihr die Tränen. »Ich wusste nicht, wie ich dich allein lassen soll. Ich hatte Angst vor dem, was alles hätte passieren können.«
Ich auch, Mum, ich auch.
Ich stehe auf und gehe zum Wasserkessel, um kochendes Wasser in das neue Fläschchen zu gießen. In ein paar Minuten braucht Chris seine nächste Mahlzeit. Ich rühre die Nahrung sorgfältig an und stelle das Fläschchen in einen Weinkühler, um es abzukühlen. Ich habe das Gefühl, wieder die Kontrolle zu haben. Mit jedem Tropfen Wasser, der in die Flasche rinnt, spüre ich, wie mein Selbstvertrauen wächst. Jetzt kann ich etwas für dich tun, Baby, ich kann dir eine richtige Mahlzeit zubereiten,
die ich sehen kann. Ich kann mein Soll erfüllen. Ich mache eine entsprechende Bemerkung zu meiner Mutter. Sie lacht, trotz ihrer Tränen.
»Oh, Sam«, sagt sie, »begreifst du nicht, dass das zum Elternsein dazugehört Nie mehr die Kontrolle zu haben. Man hat Verantwortung, aber nicht die Kontrolle.«
Das war also mein Fehler. Ich habe mich verhalten, als sei das nur ein vorübergehender Zustand, die Dampfwalze Samantha wird’s schon richten. Pech gehabt. Das hier ist eine ganz andere Baustelle.
Martin bringt Christopher in die Küche, ich halte ihn im Arm und gebe ihm das Fläschchen. Er attackiert es wie ein Diätpatient einen Käsekuchen. Seine kleinen Händchen umklammern das Fläschchen, und er gluckst leise vor lauter Zufriedenheit und Erleichterung. Er trinkt neunzig Milliliter Säuglingsnahrung in etwa genau so vielen Sekunden. Dann rülpst er laut und schläft ein. Ich sehe über seinen Kopf hinweg zu meiner Mutter hinüber, und wir lächeln uns an. Dann sage ich etwas, das ich nie für möglich gehalten hätte.
»Viel Spaß in Paris.«
Sie wischt sich über die Augen.
»Den werde ich haben.«
Und wir beide meinen es ernst.
In dieser Nacht füttert Martin Christopher um zehn Uhr Abends und nachts um zwei. Ich schlafe acht Stunden durch. Und als ich aufwache, bin ich wieder ein Mensch. Ich gehe unter die Dusche, wasche mir die Haare und ziehe mir Sachen an, die keinerlei Ähnlichkeit mit Joggingklamotten haben. Martin und ich
setzen uns zusammen, und ich mache eine Liste mit Fütterungszeiten. Ich übernehme die Schicht von Mitternacht bis sechs Uhr früh, und er die Abendschicht, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, bis Mitternacht. Wir sind wie zwei Schiffe, die sich nachts begegnen. Aber wie zwei befreundete Schiffe. Wir küssen und umarmen uns bei jedem Schichtwechsel.
Der Tag, an dem ich mich in meinen Sohn verliebe, ist kein besonderer Tag. Kein Geburtstag, Jahrestag und kein Wochenende. Er ist auch durch kein Unwetter, keinen Unfall oder sonst irgendein Trauma gekennzeichnet, das eine Familie zwangsweise zusammenrücken lässt. Chris ist an jenem
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