Alles so schoen rund hier - Mein erstes Schwangerschaftsabenteuer
dass er gar nicht perfekter sein könnte. Ich wiege ihn in den Schlaf und verstoße damit gegen sämtliche Ratgeberregeln.
Ich weiß, dass ich jetzt aufstehen und ihn in sein Bettchen legen kann. Ich kann ihn ablegen, und er wird mindestens vier Stunden schlafen. Und ich kann ins Bett gehen und dasselbe tun.
Aber ich will nicht. Ich halte mein Kind zum ersten Mal richtig im Arm, knuddle es. Es sieht so klein und unschuldig aus. Es ist so klein und unschuldig. Ich muss an eine Zeile aus einem Gedicht von W. H. Auden denken: »Sterblich, schuldig, doch für mich. Schönheit in Vollkommenheit.« Er hat die Augen geschlossen, und mit jedem Atemzug streifen seine Wimpern seine Wangen. Sein Mund steht leicht offen, sodass ich gerade noch seinen kleinen zahnlosen Gaumen sehen kann. Ich bin gerührt. Eine seiner Hände ist in mein Oberteil gekrallt, die andere liegt klein und still auf seiner Brust. Sie ist perfekt. Die Haut ist durchscheinend und unglaublich weich. Ich streiche staunend darüber, ganz sanft. Die Hand bewegt sich, nimmt meine Berührung wahr und entzieht sich dann. Ich sehe, wie sich Chris’ Brust mit den schnellen flachen Atemzügen eines Neugeborenen hebt und senkt. Ich betrachte sein blondes, flaumiges Haar und seine leicht abstehenden Ohren. Ich bewundere seinen zerbrechlichen Nacken, diesen schlanken Stamm, der einen ganzen Kopf voller Ideen, Gedanken und Pläne tragen soll. Zum ersten Mal ertappe ich mich dabei, ihn nie wieder loslassen zu wollen – eine willkommene Abwechslung zu der Überlegung, wie ich ihn wieder loswerde.
Ich sehe mich im Wohnzimmer um. Nichts hat sich verändert.
Das Kaminfeuer lodert fröhlich. Meine Hunde schlafen, ich kann sie atmen und dann und wann schnauben oder leise jaulen hören, wenn sie träumen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass ich gerade eine göttliche Vision von Mutterschaft habe, denn die Welt dreht sich weiter wie zuvor. Aber genau so ist es, das ist ja das Schöne am Kreislauf des Lebens.
Gegen halb sechs Uhr früh höre ich Martin im Bad. Ich rufe ihn. Er geht durch den Flur und steckt den Kopf ins Zimmer. Er wirkt sehr verschlafen.
»Wie lange bist du schon wach«, nuschelt er.
»Etwa sechs Stunden«, sage ich überrascht.
Sofort sehe ich Besorgnis in seinem Blick. Er läuft auf mich zu.
»Du Ärmste, ab mit dir ins Bett, ich nehme ihn.«
Ich sehe auf mein schlafendes Kind hinunter. Bewundere die Form seiner Nase und die vielen Wimpern auf seiner kleinen Wange. Ich drücke ihn an mich.
»Nein, das ist schon in Ordnung«, sage ich. »Geh du ruhig noch mal eine Weile ins Bett. Uns geht es gut.«
Und so ist es auch. Und so wird es auch bleiben.
Nachwort ·
Ein Jahr später, es ist der Abend seines ersten Geburtstags, lese ich meinem Sohn eine Gutenachtgeschichte vor. Christopher blättert die Seiten ebenso energisch wie eifrig um. Zum Glück sind sie aus dicker Pappe, also hält sich der Schaden in Grenzen. Als wir am Ende der Geschichte angelangt sind, gebe ich ihm sein Schmusetier, und er lässt sich in sein Bettchen fallen, völlig erschöpft von den Geschenken, dem Singen, der Liebe und dem Kuchen. Ich mache sein Nachtlicht an, dasselbe, das vor mehr als dreißig Jahren schon meine Ungeheuer verscheuchte.
»Nacht, Liebling«, flüstere ich, während ich den Raum verlasse.
»La-la Mamma«, sagt er und kuschelt sich in seine Decke.
Mein Herz fließt über vor lauter Liebe. Ich schließe die Tür und gehe zurück ins Wohnzimmer, wo ich Geschenke aufhebe, mit denen ich nicht gespielt, und Saft aufwische, den ich nicht verschüttet habe. T. S. Elliot sagte einmal: »Ich habe mein Leben in Kaffeelöffeln bemessen.« Ich bemesse meines in Pampers.
Lee und ich staunen, was aus uns geworden ist. Wir telefonieren täglich, um uns auszutauschen. Ihre Zwillinge Maxine und Alexandra konnten zuerst sprechen, Christopher zuerst laufen. Wir wundern uns darüber, wie sehr wir uns geändert haben.
In den ersten dreißig Jahren unseres Lebens haben wir gesagt: He, was kostet die Welt Wir waren Meister unseres Schicksals. Neun Monate und ein Jahr später ist alles anders. Nachdem sie fast drei Monate auf dem Rücken liegen musste, merkte Lee, dass im Leben nicht immer alles läuft wie geschmiert. Fünf Monate in einem Stützkorsett führten bei mir zum selben Ergebnis. »Ist es nicht unglaublich, dass wir Mütter sind«, fragen wir uns ständig. Wir sehen kaum anders aus als vorher, von unseren »Liebesmalen« einmal abgesehen. Wir haben uns nicht wie
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