Alles so schoen rund hier - Mein erstes Schwangerschaftsabenteuer
energisch zu klingen, höre mich aber an wie ein weinerliches Kind.
Die Schwester dreht sich nicht einmal um.
»Sie bekommen ihn gleich.«
Alle Krankenhauswunder verlaufen streng nach Plan.
Endlich steht Martin neben mir am Kopfende und hat ein kleines, blutbeflecktes Bündel mit blauen, glänzenden Äuglein auf dem Arm. Es ist Christopher. Ich sehe ihn an und denke an die vergangenen neun Monate zurück. An die Übelkeit, die vielen Kilos, die Panik und die Schmerzen. Ich streiche über seine
verschrumpelten kleinen Finger und seine flaumige Wange. Ich sehe, dass er die Nase seines Vaters und die Ohren seines Großvaters hat, dass seine Hände trocken und seine Nägel lang sind. Und warte auf dieses überwältigende Gefühl von Liebe, das ich für mein erstes Kind empfinden sollte. Doch ich bin einfach nur … müde. Ich bin so müde, dass ich zu nichts mehr in der Lage bin. Mir kommen die Tränen. Was bin ich nur für eine Mutter, dass ich nichts für mein Kind empfinde Ich denke daran, was für ein Glück ich habe, dass mein Sohn so perfekt ist. Wie kann ich zu müde sein, um ihn zu lieben In diesem Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher als eine Tasse Tee. Dass ich gerade noch Teil eines Wunders war, das der Entstehung menschlichen Lebens, spielt keine Rolle. Im Moment gäbe ich alles für eine Tasse Tee mit zwei Würfeln Zucker und etwas Milch. Christopher sieht aus, als ginge es ihm ganz genauso. Sein Blick ist schläfrig, und er zieht ständig eine Schnute. Ich bekomme gerade noch mit, dass ich in ein anderes Zimmer geschoben werde, wo das Licht gedämpft ist. Ich bin mit Martin und Christopher allein, und keiner von uns weiß, was er tun soll. Ich sehe zu meinem Mann auf.
»Nun, so wie es aussieht, bist du jetzt Vater.« Ich kichere unsicher.
Meine Verwirrung spiegelt sich in seinem Gesicht. »Ja, ich denke schon.«
»Bist du glücklich, fragen wir uns im Chor und müssen dann lachen. Das Eis, das sich plötzlich zwischen Mann und Frau gebildet hatte, die sich an die ungewohnte Elternrolle erst noch gewöhnen müssen, ist gebrochen.
Wir sind Eltern. WIR sind Eltern. Wir sind ELTERN. Ohne Prüfung,
ohne jegliche Qualifikation, ohne Abschluss. Alles eine Folge von Liebe und Biologie. Hilfe, sind wir auch wirklich darauf vorbereitet Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr, es bleibt uns nichts anderes übrig, als nach vorn zu schauen. Ich hätte jetzt wirklich gern eine Tasse Tee.
Die Schwester kommt. »Wollen Sie stillen«, fragt sie. Ich nicke und bekomme kein Wort heraus. »Versuchen wir, ihn anzulegen«, sagt sie barsch, zieht mein Nachthemd herunter und entblößt meine linke Brust. Ich möchte schreien: Nein, das geht mir zu schnell, ich muss mich erst einmal daran gewöhnen, will dieses kleine Bündel aus Fleisch und Blut kennenlernen, ich bin noch nicht so weit. Aber ich merke, dass meine Gefühle im Moment unwesentlich sind. Das Baby genießt oberste Priorität, und ich kann gar nicht früh genug damit anfangen, mich daran zu gewöhnen. Denn es wird auch meine oberste Priorität haben – für den Rest seines Lebens.
Das Überwältigende, das sich soeben ereignet hat, wird mir langsam bewusst. Ich sehe, wie sich dieses kleine Menschlein abmüht, nach meiner Brustwarze zu schnappen, und begreife, dass wir einen richtigen Menschen gezeugt haben. Das ist kein Welpe. Oh Gott, was haben wir getan
KAPITEL 9
Hilfe, ich bin Mutter!
Als ich drei Tage später auf der Neugeborenenstation liege, mit Brüsten so groß wie Wassermelonen, wird mir klar, dass die Geschichte von Christi Geburt von einem Mann geschrieben wurde. Nur ein Mann hielt es für eine gute Idee, Maria in einem Stall gebären zu lassen. Mit einer Reihe ungewaschener Hirten samt ihrer Herde als Zuschauer. Und nur ein Mann kann Leute als »Weise« bezeichnen, die am dritten Tag nach der Geburt zu Besuch kommen, auch wenn sie Gold, Weihrauch und Myrrhe dabeihaben. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so müde oder deprimiert gewesen. Alles, was nur schiefgehen konnte, ist schiefgegangen.
Schon in der ersten Nacht geht es los. Ich werde in ein hübsches Einzelzimmer geschoben und begehe den Fehler, das Baby nachts bei mir haben zu wollen.
Die Schwester sieht mich besorgt an.
»Halten Sie das wirklich für eine gute Idee«, fragt sie. »Möchten Sie nicht erst noch etwas schlafen«
Was war ich damals noch zuversichtlich!
»Nein, das geht schon«, sage ich. Also wird Christopher in einer Plastikwiege hereingeschoben. Er schläft
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