Alles über Elfen (German Edition)
gegenüber Flora und Fauna. Dabei zeigt sich genau daran, dass die Elfen keiner Form des Lebens per se automatisch einen höheren Wert beimessen als einer anderen. Das kann unter gewissen Umständen auf uns ausgesprochen grausam wirken, zum Beispiel dann, wenn das Leben eines Menschen und das eines größeren Gehölzes auf dem Spiel stehen – und ein Elf sich dann womöglich dazu entscheidet, das Wäldchen anstelle des Menschen zu retten.
Man sollte des Weiteren nie davon ausgehen, dass alle Elfen ausgemachte Pazifisten wären. Das Leben zu achten, bedeutet nicht, jeden Bösewicht tun und machen zu lassen, was er will, nur weil er eben auch zufällig ein Lebewesen ist. Es mag von Elf zu Elf Unterschiede geben, ab wann er zum Eingreifen bereit ist, um das Treiben eines Übeltäters zu unterbinden, doch spätestens ab dem Augenblick, in dem sich ein Elf entschlossen hat, genau das zu tun, wird er mit aller gebotenen Härte gegen Unrecht vorgehen.
Sei dir der Gründe deines Handelns bewusst
Dieses Gebot trägt maßgeblich zu dem Gerücht bei, Elfen würden viel zu lange zögern und zaudern, ehe sie sich zu irgendetwas Wichtigem entscheiden. Von außen betrachtet mag es so aussehen, als würde ein Elf in einer heiklen Situation einfach nur untätig in der Gegend herumstehen. In Wahrheit jedoch horcht er meist nur intensiv in sich hinein, um herauszufinden, von welcher Regung er im Begriff ist, sich leiten zu lassen. Je unüberschaubarer die Lage, desto länger kann es dauern, bis der Elf zu einem Urteil gelangt ist. Will man es etwas negativer formulieren, könnte man auch sagen: Elfen hassen es, sich zu irren. Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage eines Elfen, der mit seinen Gefährten durch einen dunklen Wald reitet. Plötzlich springen fünf kreischende Gestalten auf den Weg. Wo wir Menschen hier dazu neigen, sofort zur Waffe zu greifen, hält der Elf einen Augenblick inne – nichts wäre für ihn schockierender, als die fünf Personen rasch niederzustrecken und dann hinterher feststellen zu müssen, dass ihn nichts als seine eigene Erschrockenheit dazu verleitet hat, fünf Jugendliche aus dem nächsten Dorf abgeschlachtet zu haben, die lediglich einer Gruppe Reisender einen harmlosen Streich spielen wollten. [Plischke: Und ihr anfängliches Zögern machen Elfen in der Regel auch durch ihre Schnelligkeit wieder wett, falls es wirklich hart auf hart kommen sollte. Christiansen: Wovon ich als Begleiter des Spitzohrs aber nichts habe, wenn ich armer, langsamer Kerl bis dahin schon die Säbel von zehn Banditen im Leib stecken habe.] Diese Maßgabe ist auch unter weniger dramatischen Maßgaben für die Elfen sinnvoll. Ich möchte daran erinnern, dass sie keineswegs so gefühlskalt sind, wie man ihnen oft unterstellt. In ihnen können Leidenschaften entfesselt werden, die denen von uns Menschen in nichts nachstehen. Häufig ist es jedoch unklug, sich diesen Leidenschaften wehrlos hinzugeben. Auch hierfür ein kleines Beispiel: Ein Elf beobachtet, wie jemand, den er auf den Tod nicht ausstehen kann, mit seinem geliebten Wesen durch einen Garten lustwandelt. Impulsivere Gemüter – wie sie unter uns Menschen nicht selten sind – würden sofort lautstark dazwischengehen, um Schlimmeres zu verhindern. Ein Elf hingegen würde einen Augenblick darauf verwenden, sich zu fragen, ob es sich lohnt, aus reiner Eifersucht ein Gespräch zu stören, das sein geliebtes Wesen gerade womöglich in vollen Zügen genießt. [Christiansen: Weichei! Das »geliebte Wesen« soll sich gefälligst mit mir unterhalten!]
Bedenke die Folgen jeder Handlung
Was in die eine Richtung gilt, gilt auch in die andere. So wie die Elfen davon überzeugt sind, dass letztlich nichts ohne Grund geschieht, sind sie zugleich der Auffassung, dass jede Handlung Konsequenzen nach sich zieht. Insofern spiegelt sich hier ihre Sicht der Welt als geordnetes, in sich geschlossenes System wider. Elfen lernen früh, dass der Weg ins Unheil mit guten Absichten gepflastert ist. Wer handelt, ohne die Folgen einigermaßen zuverlässig abschätzen zu können, riskiert, letzten Endes mehr Schaden anzurichten, als er eigentlich verhindern wollte.
Die hohe Schule der elfischen Weisheit besteht nun darin, die Dinge ausreichend zu be denken, ohne sie dabei zu zer denken. Theoretisch kann schließlich jede noch so unschuldige Handlung in eine Katastrophe münden: Ein Elf nimmt bei einer Feier den letzten großen Schluck von seinem Wein – und Sekundenbruchteile später
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