Alles über Elfen (German Edition)
unsere Wünsche, Ängste und Hoffnungen
Tun wir also für einen Augenblick so, als wäre sämtliche elfologische Forschung eine besondere Art der Selbsttäuschung. Elfen existieren nicht. Zumindest nicht jenseits der Grenzen unserer eigenen Phantasie. Würde das alle elfologischen Bestrebungen rundweg als pure Spinnerei disqualifizieren?
Ich denke nicht. Selbst falls die Elfen tatsächlich nur eine bloße Idee sein sollten, bleibt doch festzuhalten, dass diese Idee uns Menschen seit Jahrtausenden ungemein fasziniert. Sie ist sozusagen eine fixe Idee, und es ist mehr als berechtigt, den genauen Gründen für diese Faszination nachzuspüren. Denn wenn uns die Elfen im wahrsten Sinne des Wortes nichts bedeuteten, würden wir uns auch nicht so viele Gedanken um sie machen.
Anders formuliert: Lassen Sie uns auf den folgenden Seiten einmal darüber sinnieren, welche psychologische Funktion das Schöne Volk für uns erfüllt und weshalb wir anscheinend einfach nicht von ihm lassen können. Wir werden dabei rasch feststellen, dass es nicht die eine Rolle gibt, in der wir Elfen wahrnehmen. Sie ist vielmehr mindestens zwiespältig, und vielleicht liefert genau diese Zwiespältigkeit die Erklärung, warum die Elfen in den einen so viel Ehrfurcht und Bewunderung auslösen, während sie bei den anderen zu Ablehnung und Hass führt.
Die Elfen als leuchtendes Vorbild
Was die meisten Menschen relativ schnell begreifen, ist ihre eigene Fehlbarkeit. Wir treffen nicht immer die richtigen Entscheidungen. Wir tun Dinge, die wir im Nachgang bereuen. Wir fügen anderen Leid zu, ob nun gewollt oder ungewollt. Unsere Neugier ist oft grenzenlos, unser Wissen jedoch nicht, und so führen wir oft schmerzhafte Situationen herbei, die wir eigentlich lieber vermieden hätten.
Wäre es nun nicht schön, wenn es außer uns noch andere vernunftbegabte Wesen auf dieser Erde gäbe, die weiser handelten als wir? Die ein tieferes Verständnis für die wahren Regeln besäßen, die der Beschaffenheit der Welt zugrunde liegen? Die sich ein Reich geschaffen haben, in dem die Dinge für alle besser stehen?
Diese Lücke ist es, die die Elfen auszufüllen vermögen.
Dank ihnen sind wir als Menschen nicht allein in die Welt hineingeworfen. Sie sind so etwas wie unsere älteren Geschwister, die uns helfen können, die Welt verstehen zu lernen. Sie sind noch dazu in unserer Vorstellung nicht umsonst oftmals unsterbliche Geschöpfe. Nicht nur, weil sie damit dem Tod trotzen und uns damit auch ein Stück die Angst vor unserer eigenen Endlichkeit nehmen. Ein zeitloses Geschöpf hat zugleich alle Zeit der Welt. Sämtliche Fehler, die wir Menschen jemals begehen könnten, haben die Elfen bereits begangen. Jede schmerzliche Erfahrung, die uns quält und ausweglos erscheint, haben sie bereits überwunden. Alle Rätsel, die auf uns unlösbar wirken, haben sie bereits ergründet. Wie könnte man da nicht versuchen, den Rat der Elfen einzuholen, wenn man einmal nicht weiter weiß? Sie durch kleine Geschenke gnädig zu stimmen? Ihnen in der Hoffnung nachzueifern, einmal selbst so werden zu können wie sie?
Wenn wir uns daran zurückerinnern, was die Elfen für unsere Vorfahren angeblich taten, wird diese Funktion des Schönen Volkes als Vermittler von Heilsversprechen noch deutlicher. Als unsere Fürsprecher bei Fruchtbarkeitsgöttern sorgen sie dafür, dass die Natur uns gewogen bleibt und unsere Felder immer die Ernte bringen, die wir zum Überleben brauchen. Als Hüter des Waldes strafen sie all jene, die aus reiner Selbstsucht und Gier das natürliche Gleichgewicht der Welt und die den Dingen innewohnende Ordnung stören.
Und selbst später – zu jener Zeit, da wir aufhörten, ihnen Opfer darzubringen – haben wir die Elfen nie vergessen. Je mehr wir uns die Welt untertan machten, desto mehr erkannten wir, dass dieser Prozess des Wandels in vielen Belangen unumkehrbar war – und dass er seinen Preis hatte. Angesichts der umwälzenden und immer schneller eintretenden Veränderungen, die wir als Menschen erlebten, erwuchs in uns eine große Nostalgie, die Sehnsucht nach Beständigkeit und Unwandelbarkeit. Die Elfen wurden dabei zu einem Symbol der »guten alten Zeit« – jener wehmütig verklärten Ära, in der man noch im Einklang mit der Natur lebte.
Die Elfen als Mahnung
Umgekehrt fungieren die Elfen auch als eine Art Warnung für uns Menschen. Ungeachtet ihrer scheinbaren Unsterblichkeit sind sie eben nicht vollkommen unvergänglich. Alle Dinge haben
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