Alles über Elfen (German Edition)
eine Anderswelt ist, um einmal einen Begriff zu bemühen, den die meisten Menschen wahrscheinlich aus keltischen Mythen und Sagen kennen? In menschlichen Kulturen, die animistisch geprägt sind – und also davon ausgehen, dass die Welt um sie herum vollständig belebt ist und zum Beispiel jedem Stein, jedem Baum, jedem Tier und jedem Wetterphänomen ein eigener mehr oder minder vernunftbegabter Geist zugewiesen ist –, dürfte die Annahme von einer eigenen Elfenwelt kaum mehr als ein Schulterzucken auslösen. Weshalb fällt es uns nun so viel schwerer, die Existenz einer solchen Welt zu akzeptieren, obwohl wir wissen, dass die Elfen auch von unseren Vorfahren als Ahnen- oder Naturgeister erwähnt wurden?
Meines Erachtens hängt diese Blockade in unseren Köpfen direkt mit dem Wort »Geist« zusammen. Es löst in uns beinahe sofort die Assoziation »feinstofflich« aus, was eine Elfenwelt für viele von uns gewissermaßen unbegreiflich macht. Man denke nur daran, wie wir uns hierzulande ein Gespenst – oder anders gesagt: den Geist eines Toten – vorstellen. Wenn die Verstorbenen umgehen, dann unserer Auffassung nach entweder als nebelartige Schemen mit grob menschenähnlichen Umrissen oder als leicht durchscheinende Gestalten, die nur unter größten Mühen körperlich mit dem Diesseits interagieren können. In anderen Kulturen sind Totengeister wesentlich »präsenter« und nehmen ohne Probleme deutlich spürbareren Einfluss auf die Welt der Lebenden. Selbiges gilt auch für viele Naturgeister – zeigt sich etwa der Geist eines Baumes in dessen näherem Umfeld, kann man den Geist oftmals auch völlig normal berühren wie seine pflanzliche Heimstatt selbst. [Plischke: Das funktioniert auch in die umgekehrte Richtung. Körperkontakt ist da keine Einbahnstraße. Dem Baumgeist steht es frei, jederzeit auch uns Menschen zu berühren, es sei denn, dies ist ihm durch besondere Regeln seines Daseins verboten] Aus menschlicher Perspektive ein Geist zu sein, bedeutet also nicht zwingend, dass man keinen festen Körper hätte.
Diese umstrittene Theorie vom Heimatreich der Elfen als Paralleldimension unserer Welt bietet einige Vorzüge:
Sie erklärt, warum direkte Begegnungen mit dem Schönen Volk selten sind. Falls es zu früheren Zeiten tatsächlich häufiger zu ihnen kam – eine Annahme, die sich nicht empirisch verifizieren lässt –, weist dies womöglich darauf hin, dass die Distanz zwischen unserer und der Welt der Elfen Zyklen unterworfen ist. Mal stehen sie sich näher, mal sind sie weiter voneinander entfernt. Wenn dem so ist, befinden wir uns derzeit wahrscheinlich in einer Phase großen Abstands. Doch wer weiß: Vielleicht ist es uns vergönnt, selbst mitzuerleben, was es bedeutet, wenn die Welten wieder näher aneinanderrücken. [Christiansen: Ich finde es unheimlich, wenn der Kollege so ins Schwärmen gerät. Plischke: Interessant. Ist Ihre Abneigung den Elfen gegenüber am Ende aus reiner Angst geboren, ihnen in Massen zu begegnen? Christiansen: Ich verwehre mich energisch gegen diese infame Unterstellung]
Dieser Theorie zufolge wäre es auch nachvollziehbarer, warum man in vielen Berichten nur an ganz bestimmten Orten (und manchmal sogar nur zu bestimmten Zeiten) als Mensch in die Welt der Elfen hineingelangen kann. Dies ist dann nämlich nur dort (und dann) möglich, wo sich die beiden Reiche überlagern und die Grenze zwischen ihnen besonders durchlässig wird. Ein Rätsel bliebe selbst in diesem Fall jedoch noch bestehen: Weshalb liegen diese Orte so häufig fernab menschlicher Siedlungen und in Wildnisgebieten? Warum ist dieser Übergang nicht auf einem gewöhnlichen Marktplatz, an einem herkömmlichen Stadttor oder durch einen Ausflug in die Kanalisation möglich? [Christiansen: Ich denke, dass muss man unter genau umgekehrten Vorzeichen betrachten. Ich vermute, die meisten Leute sind schlau genug, um zu wissen, dass die Spitzohren einem meistens nur irgendwie Ärger einbringen, wenn man sich länger mit ihnen abgibt. Deshalb versucht man tunlichst, so weit wie möglich von jedem Ort wegzubleiben, an dem sich Elfen herumtreiben könnten]
Besucher beim Schönen Volk berichten seit jeher von zahlreichen ungewöhnlichen Phänomenen, deren Zeuge sie während ihres Aufenthalts unter den Elfen wurden. Lichterscheinungen am Himmel oder um die Elfen herum, mysteriöse Klangerscheinungen wie von ferner Musik oder Gelächter aus unsichtbarer Quelle, ungewöhnliches Verhalten der Flora und Fauna wie etwa
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