Alles über Elfen (German Edition)
»ausschließlich«. Natürlich hatten die Elfen in ihrer langen Geschichte mit Sicherheit auch schon grausame oder unfähige Herrscher. Es ist wahrscheinlich nur so, dass sie mehr aus ihren Fehlern gelernt haben]
3.Ähnlich wie bei uns Menschen auch sehen die Elfen eine enge symbolische Verbindung zwischen dem König und dem Land, über das er gebietet. Geht es dem König gut, floriert auch das Land und umgekehrt. Bei den Elfen ist diese Verknüpfung deutlich sichtbar und zudem an die Jahreszeiten angepasst: So trägt Thranduil im Herbst eine Krone aus rotem Laub und Beeren, im Frühling hingegen eine aus Blüten von Waldblumen. Er ist somit nicht nur ein einfacher Herrscher, sondern auch die greifbare und verdichtete Manifestation der Umwelt, in der die Elfen leben. Sein Wille ist der Wille der Natur. Sitzt diese Überzeugung bei seinen Untertanen nur tief genug, untermauert dies seinen Machtanspruch ganz erheblich, denn wer würde der Natur selbst widersprechen wollen?
4.Die Position des Königs/der Königin ist offenbar an Nachkommen weitervererbbar (so hatte beispielsweise Thranduils Vater schon vor ihm den Thron inne), und die meisten Herrscher der Elfen stammen aus einer vergleichsweise überschaubaren Anzahl von Sippen. [Christiansen: Ha! Da sind sie also auch nicht viel besser als wir Menschen. Plischke: Ich gebe zu bedenken, dass gesellschaftliche Veränderungsprozesse bei Geschöpfen, die nahezu unsterblich sind, aus unserer Warte bestimmt unendlich lange dauern. Fünf oder sechs Elfengenerationen sind für uns ein Äon oder eine ähnlich unvorstellbare Zeitspanne, aber für die Elfen ist der gleiche Zeitraum aus ihrem Blickwinkel heraus um einiges überschaubarer. Sie haben vielleicht gar nicht das Gefühl, ihre »Herrschersippen« wären schon seit Ewigkeiten an der Macht]
5.Ungeachtet dessen betont Tolkien mehrfach, dass die Herrschenden ihrerseits die anderen Elfen und auch Besucher aus der Fremde durchgängig mit Freundlichkeit und Respekt behandeln. Unklar bleibt allerdings, ob dies Ausdruck einer Philosophie der »Gleichen unter Gleichen« oder letztlich nur eine Facette höfischer Etikette darstellt.
6.Zieht man Galadriel und Celeborn als Beleg heran, kann man in die Richtung argumentieren, dass die Autorität bei manchen elfischen Nationen prinzipiell auf vier statt nur zwei Schultern verteilt ist. Zumindest von außen betrachtet macht es nicht den Eindruck, als wäre Galadriel ihrem Gatten unterstellt oder umgekehrt. Einige Elfologen sehen in diesem Paar sogar das Ideal elfischer Herrschaft: zwei völlig gleichberechtigte Partner, die in ihren eigenen Entscheidungen immer zuerst einen vorgeschalteten Konsens finden müssen, ehe sie mit einer Forderung oder einem Befehl an ihre Untergebenen herantreten. Dies soll angeblich für eine größere Ausgewogenheit in der elfischen Staatspolitik sorgen, da es vorschnellem und aus emotionalen Aufwallungen geborenem Handeln einen Riegel vorschiebt.
Diese Gesellschaftsordnung wird beileibe nicht von allen Fachleuten unkritisch gesehen. Sie verweisen auf die Neigung des Menschen, das Schöne Volk und all sein Treiben als Projektionsfläche für eigene Wünsche und Phantasien zu missbrauchen. Diese Auffassung ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Die Herrscher der Elfen, wie sie uns in dieser minimalfeudalistischen Variante präsentiert werden, gemahnen stark an den guten König aus dem Märchen, der stets weise und gerecht handelt – sozusagen von Natur aus – und immer rund um die Uhr und bei jeder noch so kleinen Entscheidung auf das Wohl all seiner Untertanen besonnen ist.
Nun soll hier eine relevante Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden: Eventuell sind die Schilderungen Tolkiens und anderer Elfologen seiner Generation von bestimmten Erwartungshaltungen an die Gesellschaft der Elfen gefärbt gewesen. Will meinen: Vielleicht hat man die sozialen Strukturen unter den Elfen so wahrgenommen, wie man sie dringend wahrnehmen wollte beziehungsweise wie man sie angesichts seiner eigenen Prägungen wahrnehmen musste. Tolkien war immerhin Brite, und es ist ihm nicht vorzuhalten, dass er sich wohlmeinende und kompetent regierende Monarchen herbeisehnte.
Wer dies als Ketzerei an Tolkiens Schaffen und Wirken begreift, dem sei versichert, dass ich Tolkiens beachtliche Leistungen auf dem Feld der Elfologie sehr zu schätzen weiß. Meine Bewunderung ändert jedoch nichts daran, dass Tolkiens Beobachtungen an einigen Stellen Lücken aufweisen
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