Alles über Elfen (German Edition)

entwickelt hatte, aus der sich einige der Vorurteile ableiten lassen, die viele Menschen gegen Elfen hegen. Beispielsweise lebten die Nandor zu jener Zeit zurückgezogen und in inniger Verbindung mit der Natur in dichten Wäldern und siedelten dort mit Vorliebe entlang von Wasserläufen. Sie fertigten keine Werkzeuge aus Metall an, sondern nutzten offenbar nur nachwachsende Rohstoffe. Sie fanden sich nie zu größeren sozialen Konstruktionen wie Staaten zusammen (sie errichteten nicht einmal größere Siedlungen) und bestritten ihr Leben eher als Jäger und Sammler.
    Diese kurze Auflistung belegt eines zweifelsfrei: Die Elfen blicken auf eine sehr lange Geschichte zurück, in der sich ihr gemeinsamer Stammbaum zu unzähligen Zweigen verästelt hat. Einige stehen bis heute noch in voller Blüte, andere sind verdorrt und abgestorben oder wurden von kräftigeren Ästen überwuchert. Auch in dieser Hinsicht ähneln uns die Elfen stark. Dass wir nur einen winzigen Teil dieser Geschichte kennen und ihre lückenlose Aufklärung aller Wahrscheinlichkeit nach ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, mag frustrierend sein. Vielleicht tröstet es ein wenig, wenn man bedenkt, wie wenig wir Menschen über weite Phasen unserer eigenen Historie wissen. Wir geben uns gerne dem Irrglauben hin, uns wenigstens über die letzten zwei oder drei Jahrtausende einen einigermaßen zufriedenstellenden Überblick verschafft zu haben, doch was wissen wir schon Genaues über menschliche Kulturen, die vor zehn- oder fünfzehntausend Jahren existiert haben? Zieht man nun noch in Betracht, dass die Elfen womöglich noch viele Jahrtausende älter sind als wir Menschen, entwickelt man womöglich ein gewisses Gespür und auch ein Verständnis dafür, warum es uns niemals gelingen wird, jenen Schleier vollständig zu lüften, der über der Geschichte der Elfen liegt.
    Genug gejammert. Glaubt man Tolkien – und wer wollte ernsthaft an seiner Grundlagenforschung zweifeln –, stellt man fest, dass die Elfen so wie wir auch Völkerwanderungen, verheerende Kriege und die teils mit erheblichen Konflikten und schweren moralischen Vergehen verbundene Ausbreitung in neue Siedlungsgebiete auf fremden Kontinenten hinter sich gebracht haben. Und die Elfen weisen noch eine weitere, sehr grundlegende Ähnlichkeit zu uns auf: Im Zuge ihrer Ausbreitung passten sie sich stets an ihre neue Umwelt an.

Von verwunschenen Wäldern und Anderswelten – Die Lebensräume der Elfen
    Die Tolkien nachfolgenden Elfologen haben die Existenz von elfischen Siedlungen in nahezu jeder denkbaren Form von Umgebung belegt oder zumindest behauptet. Man findet Elfen (angeblich) in arktischen ebenso wie tropischen Regionen, in Wüsten und Dschungeln, in den Küstengebieten von Ozeanen und in Hochgebirgen. Der »klassische« Elf, wie ihn der Durchschnittsmensch auf der Straße sich vorstellt, ist aber nach wie vor Bewohner eines dichten Mischwalds, wie man ihn in einigen wenigen, von der modernen Zivilisation unberührten Gegenden Europas heute leider nur noch viel zu selten vorfindet. Ich möchte gar nicht bestreiten, dass sich Elfen auch unter Palmen wohlfühlen, aber wenn man von einer »natürlichen« Umgebung ausgehen kann, wie sie sich in der Vorstellung der meisten Menschen manifestiert, gehören zu diesem Bild dann doch eher Eichen und Tannen.
    Aus Sicht der Elfen, denen es traditionell ganz recht zu sein scheint, eine gewisse Distanz zwischen sich und Angehörigen anderer Völker zu wahren, bieten Wälder einige Vorteile. Es ist für sie offenbar keine große Schwierigkeit, sich dort verborgen zu halten und vor neugierigen Blicken zu schützen. Orte wie das von Tolkien beschriebene Lothlórien veranschaulichen sehr schön, dass Elfen sich ausgezeichnet an den Lebensraum Wald anpassen können, ohne dabei ihre materiellen Bedürfnisse irgendwie so weit einschränken zu müssen, dass einer der ihren Not litte. [Christiansen: Es könnte aber auch genau umgekehrt sein. Unter Umständen haben die Elfen ihre Bedürfnisse an das angepasst, was ihnen ihr bevorzugtes Umfeld so zu bieten hat]
    Ich finde es an dieser Stelle jedoch ein wenig interessanter, näher darauf einzugehen, mit welchen Eigenschaften der Wald in unserer menschlichen Wahrnehmung der Welt oft verknüpft ist und wie diese Merkmale gewissermaßen auf unser Bild des Elfen »abstrahlen«. Einmal mehr ist es dazu erforderlich, dass wir uns von jenen persönlichen Eindrücken lösen, die wir in unserer Zeit vielleicht beim