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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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dafür fühlte er sich zu schwach. Versonnen riss er einen Holzsplitter von der Bank und kratzte sich damit das Schwarze unter den Nägeln heraus. Er war bestimmt nicht der erste, der auf diese Idee gekommen war, von derBank fehlte ein Drittel der Substanz. Um ein Haar hätte sich Alfred die Hände auch waschen können, ohne aufstehen zu müssen. Sein Banknachbar bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass ein Mann im Stockwerk über ihnen sich anschickte, seine Wasserflasche über Alfreds Kopf zu entleeren, so achtlos gegenüber allem und jedem außer sich selbst. Da hockte Alfred also grüblerisch an diesem Ort, der sehr nach Charles Dickens aussah. Im Bauch spürte er nichts als Magensäure, und seine Eingeweide rührten sich.
    Wie viele Steine ich wohl schon verloren habe? Ob sich das am Röntgenbild zeigen wird? Die Rowachol-Kur scheint recht wirksam zu sein, ich muss nur aufpassen, dass ich keinen Diätfehler mache, der mich zurückwirft. Wenn die Steine weiterhin brav abgehen, könnte ich um eine Operation herumkommen. Sich hier in Ägypten aufschneiden zu lassen dürfte nicht sehr ratsam sein, die Ärzte erwecken den Eindruck, als hätten sie weniger Interesse an Medizin als ich. Sie geben einem falsche Medikamente, Hauptsache irgendwas, dann fordern sie einen auf, wieder stark wie ein Pferd zu werden, immerhin, das ägyptische Krankenhauspersonal dürfte weltweit führend sein in der Kunst der Motivation. Vielleicht sollte ich mich gerade deshalb hier operieren lassen, die angenehme, menschliche Art hat etwas für sich, das wiegt die fachlichen und hygienischen Nachteile auf. Und überhaupt, ich brauche keine Operation, die mich umbringt, das erledigen die Diät, der Ärger mit dem Lemurenverein und die Finanznot. Bitter ist, dass auch von Papa kein Geld mehr kommt, ein trauriger Windstoß, der ihn da getroffen hat, es gibt Dinge, von denen man sich nie ganz erholt, selbst wenn man wiederzum Alltag zurückkehrt, bestimmt gehört das Ende der Tischlerei in diese Kategorie. Und dass er jetzt angeblich zu trinken anfängt, man kann es verstehen, wo doch die Tanten ihren teuren Haushalt nicht einmal reduzieren müssen, obwohl sie für die Misere verantwortlich sind. Sie haben immer nur Geld aus dem Betrieb genommen, und jetzt, wo nichts mehr zu holen ist, stellen sie sich dumm. Tante Melitta hält sich weiter ihre Spiritistin, ziemliche Schweinerei, angeblich wurde die Beschaffung einer Schreibmaschine zugesagt, auf der sich Verstorbene verständlich machen können; also Onkel Hans. Eine neue Schreibmaschine könnte ich ebenfalls gebrauchen, meine schlägt mit jedem »o« ein Loch ins Papier, mit zwei neuen Farbbändern wäre mir allerdings auch geholfen, das käme billiger. Im Moment muss ich die Durchschläge verschicken, die sind wenigstens lesbar. Für die Spiritisten-Maschine werden ständig Anzahlungen gemacht, immer namhaftere Beträge, aber der Apparat trifft nicht ein, weil erst die Erprobung in den USA abgeschlossen werden muss. Angeblich hat Tante Melitta den Mann der Spiritistin als Papas Geschäftsführer einsetzen wollen, weil sie Papa für unfähig hält. Ich selber bin ebenfalls unten durch, weil mit Ägypten nur Opiumpfeifen und Bauchtänzerinnen in Verbindung gebracht werden. Ich sollte trotzdem versuchen, nochmals einen Zuschuss aus ihr herauszumelken. Berlin hat sich immerhin verbal gerührt, angeblich ist deren bisheriger Einkäufer wegen eines Zollvergehens im Jemen hopsgegangen, ein weiterer Auftrag über fünftausend Mark ist erteilt. Wenn sie nachbestellen, ist das der beste Beweis, dass ich den richtigen Riecher habe. Vielleicht kann ich Tante Melittamit dieser Nachricht ködern, ich muss ja nicht erwähnen, dass der erste Auftrag noch nicht bezahlt ist. Ich würde mindestens zwanzigtausend Schilling brauchen, der Wechselkurs ist im Moment phantastisch, für tausend Schilling bekomme ich knapp über vierzig ägyptische Pfund statt bisher achtunddreißig, das ist eine spürbare Entlastung. Morgen nach dem Besuch am Kulturinstitut werde ich zu Mensdorf fahren, inshallah gibt er mir etwas, ihm muss klar sein, dass jetzt Dinge auf dem Markt sind, die in einigen Monaten völlig verschwunden sind. Mit dem Geld könnte ich die Sinai-Kleidersammlung und die Burka-Sammlung fortsetzen, bevor der Markt austrocknet. Im Kenooz-Shop werden schlecht zusammengebastelte Kleider schon um fünfzig Pfund verkauft, Muhammed erzählt, die UNO-Soldaten auf dem Sinai würden die Preise verderben, eine Beduinenfrau

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