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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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erzählte Risa, dass sie in ihrer kleinen Küche vor Glück getanzt habe. Bis heute war Sally erleichtert, dass die Geburt der Kinder immer mit Freude begrüßt worden war.
    »Eine halbe Stunde nach dem Schlusspfiff bist du zu Hause«, sagte sie mit einem drohenden Unterton. »Na los, schwirr ab!«
    Gustav grinste, fasste Sally mit beiden Armen unter dem Hintern und hob sie für einige Sekunden hoch. Sie lachte glücklich, ein wenig verlegen. Auf die Schultern ihres Sohnes gestützt, wendete sie sich an Alfred.
    »Die zweite Halbzeit schaue ich mir ebenfalls an.«
    Sie dachte, das ist immer noch besser als ein Film mit Bettszenen.
    Die Aussicht auf einen Fernsehabend mit Sally stellte Alfred zufrieden. Er streckte dem Bildschirm die Pantoffeln entgegen, seinem lautstarken Fluchen war zu entnehmen, dass ihn das Match nicht langweilte. Er rief Dinge wie »Das ist schlimmer als ein Polizistenmord!« und verwendete Schimpfwörter und Ausdrücke körperlichen Gebrechens,die – fand zumindest Sally – im Moment eher auf ihn selber zutrafen als auf den Schiedsrichter. Aber gut, Sally wollte nicht ausgerechnet aus dem Mann Kleinholz machen, mit dem sie seit drei Jahrzehnten zusammenlebte, zumindest die Schimpfwörter ließ sie dem Schiedsrichter. All ihr Zorn war wieder verflogen.
    Bevor sie nach oben ging, sah sie, dass Alfred Pfefferminztee trank und sich ein paarmal ans Bein und an sein Skrotum griff, das durchfurchte, vom Leben gezeichnete Gesicht blieb auf die Füße gerichtet, jeder hat seine Schwachstellen.
    Die Schildkröten bekamen frisches Wasser, sie schwammen und strampelten und berührten mit ihren stumpfen, verhornten Nasen das Glas des Aquariums. Sally hielt ihr Gesicht vor das grünschimmernde Geviert, die vielen blitzenden Reflexe wirkten auf sie klar, selbstverständlich und gar nicht künstlich. Bei jedem Eintreten in ihr Zimmer fühlte sie sich vom Aquarium und seinen Bewohnern besänftigt, und obwohl sie wusste, dass es nur ein geklebter Apparat aus dem Geschäft war mit Wasser und einer Lampe darin und zwei kleinen dummen Tieren, die sie von einem Kollegen geschenkt bekommen hatte, der angeblich Schülerinnen begrabschte, haftete dieser kleinen Welt etwas Magisches an, etwas, das mehr Anteil an dem hatte, was man Schöpfung nennt, als alles andere in Sallys Besitz.
    Auf dem schmalen Bett liegend, schickte sie eine SMS an Erik. Dann taxierte sie den Stapel neben dem Bett, der aus dreizehn Büchern bestand, die sie gerade las . Jedes stand in Verbindung mit einer bestimmten Stimmung, manche biographischen Inhalts, andere Literatur, anderePolitik, andere Kulturgeschichte, aber lauter Bücher, die sie gerne von einem Buchdeckel zum anderen durchgelesen hätte. Sally konnte sie reihen von 284 Seiten, die sie in einer Biographie über Marlen Haushofer bewältigt hatte, bis hinunter zu nur vier Seiten in Colin Wilsons angeblich exzellentem A Criminal History of Mankind . Sie hatte in letzter Zeit keine große Geduld mit Büchern und neigte dazu, hindurchzusehen. An diesem Abend? War vielleicht Almudena Grandes (24 Seiten) oder Samuel Beckett (140 Seiten) der richtige Wasserkühler für ihr Gehirn. Murphy:
    Er konnte nicht beides zugleich haben, nicht einmal die Illusion davon.
    Während der zweiten Halbzeit fand sie es irritierend, dass Alfred nicht wie sonst in seiner Ecke saß, sondern sich strategisch geschickt in die Mitte der Couch gesetzt hatte, so dass Sally dauernd Angst haben musste, er würde ihre Hand nehmen; was er schließlich tat. Er steuerte schon den ganzen Abend darauf zu, er war besonders nett und hatte seine Hände an ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Sie empfand seine Annäherungsversuche als verstörend und so – so – durchsichtig. Nur um etwas Erleichterung zu bekommen! Nicht sehr subtil. Und trotzdem spürte sie gegen Ende des Spiels, dass auch sie nicht abgeneigt war, sie ließ es sich durch den Kopf gehen, es kostete sie wenig Mühe, die Argumente so umzuorganisieren, dass sie schließlich zu dem passten, was Sally gerade wünschte und was sie noch vor zwei Stunden weit von sich gewiesen hätte. Auch ziemlich – durchsichtig. Alfred schaute sie in seiner triefäugigen, mondtrüben Art an, er sagte »So« in einem seiner traurigen Versuche, ein Gespräch anzufangen, wenn Sallynicht gesprächig war. Und schon wieder kam die Hand, Sally schob sie beiseite.
    »Lass mich die Niederlage ansehen«, sagte sie. »Ich verspreche dir, dass ich nachher mit dir schlafe.«
    Das Match

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