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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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fröhlich war – hier war man ungestört und irgendwie gleichzeitig in der Natur.
    Felicitas mit ihrem strahlenden Aquamarin um den Hals, und Katharina mit dem goldenen Medaillon, im Wintergarten, hinter Kakteen und Geranien.
    Felicitas, blond, ein hübsches kleines Gesicht mit spitzer Nase, war immer so vergnügt, und sie brachte mit all ihren Geschichten die schwerblütige Katharina zum Lachen. Allen Erlebnissen – und sie erlebte viel – vermochte sie etwas Lustiges abzugewinnen, und das teilte sie Katharina gestenreich mit, die sich nur wundern konnte über die Phantasie ihrer Freundin. Hätte man unten gestanden auf der Terrasse, dann hätte man jedes Wort verstehen können, das hier oben gesprochen wurde, all diese Geschichten, und man hätte auch dort was zum Lachen gehabt.
     
    Sie lachten viel, die beiden Freundinnen, aber manchmal stimmten sie sich auch herab, dann sprachen sie von Fritz aus Frankfurt, der bei Nacht und Nebel in die Schweiz hatte fahren müssen, und Felicitas hatte noch ganz andere Sachen auf Lager.
    Es gab da auch ein paar Geschichten, über die sprachen sie überhaupt nicht, die behielt jede eisern für sich.
    Sie stimmten sich herab, die beiden Freundinnen – aber dann drehten sie auch wieder auf. Felicitas hatte den Bogen raus. Jetzt im Winter saßen sie nicht im Wintergarten, jetzt tranken sie in dem kleinen gemütlichen Wohnzimmer ihren Kaffee. Niedliche kleine Damensessel hatte Katharina angeschafft. An der Wand hing allerdings ein Gemälde von der Sternwarte in Treptow, das hatte Eberhard sich ausbedungen.
    Neben dem Bild von der Sternwarte hingen allerlei Porträtpostkarten, Dürers Mutter und auch die Medea von Feuerbach.
     
    Mitten in der Wohnung stand auf einem ausrangierten Blumenständer eine Porzellanfigur, «Die Kauernde» betitelt. Man sah sie sofort, wenn man eintrat. Eberhard hatte sie aus Berlin mitgebracht, KPM.
    Felicitas ließ sich in diesen Tagen nicht mehr sehen, sie war schwanger, der kalte Wind und die glatte Straße? Wie leicht hätte sie stürzen können! Katharina saß allein in ihrem Zimmer und las, oder sie fertigte Scherenschnitte aus schwarzem Karton, meist Blumen und Vögel, die sie in ein Album klebte, zyklisch den Jahreszeiten gewidmet. Wenn sie fertig war mit so einem Kunstwerk, dann zündete sie sich eine Zigarette an und freute sich darüber.
     
    Eberhard war in diesem Krieg weit herumgekommen, die schönen Tage in Frankreich, das stolze Griechenland ... Und dann die Ukraine mit ihren weiten Sonnenblumenfeldern? Und: Weizen? Alles war immer gut gegangen, obwohl man ihm in der Ukraine schon mal eine Mine ins Bett gelegt hatte. Und jetzt Italien!
    Von überall her hatte er Pakete geschickt, und Katharina leiteteso manches nach Berlin um an ihre Leute dort. Kriegten die denn so gar nichts? «Wir leben hier von unseren Karten», schrieben sie, und das tat Katharina leid. So war sie denn auch in den letzten Jahren immer wieder nach Berlin gefahren, um ihnen unter die Arme zu greifen. Und Berlin bot ihr das, was sie in Georgenhof entbehrte: Theater, Konzerte und auch Kino. «Rembrandt», dieser wunderbare Film.
    Und in Georgenhof landeten dann Bücherpakete, groß und schwer.
     
    Doch nun standen die Russen an der Grenze, wer hätte das gedacht, und Katharina hatte sich ganz zurückgezogen in ihr Refugium. Die Frage war, ob man nicht doch besser nach Berlin ginge, aber vor den Angriffen dort schreckte Katharina zurück. Außerdem: Eberhard hatte schon mal vorgefühlt, aber dort war gesagt worden: In diesen Zeiten muß jeder bleiben, wo er ist.
    Im Gegenteil! Die Berliner hatten erwogen, nach Georgenhof zu ziehen und «in Ruhe alles abzuwarten». – In der Woche vor Weihnachten hatte man sich zuletzt gesehen, und beim Abschied hatte man geweint. Elisabeth – eigentlich ein ganz netter Kerl. Mit den verwachsenen Füßen ja auch nicht so einfach. Katharina hatte sich nicht getraut, Ernestine zu fragen, ob sie Peter mitnehmen könnte? – «Wo soll der denn schlafen?» wäre gefragt worden. Und da war das eben unterblieben.
    Eine ausgewachsene Gans hatte Katharina ihr für die Festtage mitgegeben, Wladimir hatte geguckt, ob das auch richtig ist?, und das Tantchen hatte lange überlegen müssen, wie sie das verbuchen kann, daß da eine Gans weniger auf dem Hof umherläuft. Und ob man sich da nicht in die Nesseln setzt? Die Gänse sind schließlich abgezählt? Drygalski, dieser Obernazi, vielleicht kriegte der was davon mit? Der hatte seine Augendoch

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