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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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ihren Jahreszeitenzyklus. Das tat sie übrigens, ohne vorzuzeichnen! Felicitas wunderte sich darüber und erzählte es überall herum.
    Auf dem Tisch hatte Katharina gern einen der von dem Nationalökonomen so hoch gerühmten Obstteller mit Äpfeln stehen. Hier stand der Teller mit den Äpfeln, dort die «Kauernde», und an der Wand hing die Medea von Feuerbach.
     
    Gelegentlich hörte man Radiomusik aus ihrem Zimmer, der große Blaupunkt mit dem magischen Auge, und Zigarettenrauch drang durch das Haus. Lag sie schon wieder auf dem Bett und las?
    Manchmal stand sie an der Tür und horchte, ob draußen einer an ihrer Tür horcht.
    «Hier hat keiner was zu suchen», sagte sie, und sie machteselbst sauber, obwohl sie sonst nirgends mal mit anfaßte. Hier oben empfing sie hin und wieder Peter, wenn er seine Schularbeiten gemacht hatte, lästig war ihr das, und das Heft schlug sie ihm um die Ohren, wenn er nicht sauber schrieb, aber sonst war sie nachsichtig. Geschichtszahlen? Mit denen kannte sie sich auch nicht aus.
    Hauptsache, das Zeugnis war einigermaßen. «Du kannst machen, was du willst», pflegte sie zu sagen, «Hauptsache, das Zeugnis ist einigermaßen.» Wie hätte man sonst dem Vater unter die Augen treten sollen? Aber seit der Studienrat Dr. Wagner die Erziehungsgeschäfte in die Hand genommen hatte, kümmerte sie sich auch darum nicht mehr.
     
    «Ist es nicht ein Bild?», dies Wort war gefallen, als sie damals mit Lothar Sarkander im Sommersaal stand und im Park die Familie picknicken sah, von Kohlweißlingen umgaukelt. Das war nun schon wieder so lange her. Lothar Sarkander, der Mann mit den Schmissen auf der Wange und dem steifen Bein hatte das gesagt, dieser Mann, der in Mitkau aufpaßte, daß der Familie von Globig nichts abging. Krisselige Haare hatte er, an den Schläfen leicht ergraut.
    Neben ihr hatte er gestanden und auf das bunte Bild hingewiesen, das sich ihnen da draußen bot: die sich lagernde Familie, die Kinder, vor dem dunklen schweigenden Wald, und die weißen Schmetterlinge drüberhin. Das war in ihrem Gedächtnis geblieben, das konnte sie nicht vergessen.
    «Ist es nicht ein Bild?»
    Ein solches Wort hätte Eberhard nie herausgebracht. Aber die «Kauernde»? – Eberhard war es gewesen, der ihr die «Kauernde» geschenkt hatte. Oder hatte er die kleine Skulptur sich selbst gegönnt?
    Sogar die Ukrainerinnen waren herangetreten an die Figur undhatten sie betastet. Felicitas stellte immer wieder Vermutungen an, wie teuer sie wohl gewesen sei, KPM, war sie nicht sogar signiert?
     
    Leider benutzten Leute aus der Siedlung immer wieder den Park als Abkürzung, wenn sie nach Mitkau gingen, obwohl doch ein Schild aufgestellt worden war: Durchgang verboten! Besonders Drygalski tat sich dabei hervor, ging mit gewichtigen Schritten über den Rasen und spuckte links und rechts in den Rhododendron. An der Küche ging er vorüber und bog dann in den Park ein, spiegelte sich in den Fenstern des Sommersaals, guckte zu Katharina hinauf und verließ ihn auf der andern Seite wieder. Jetzt im Winter verunstaltete ein dunkler Trampel-Halbkreis ums Haus herum die weiße Schneedecke.
    Manchmal hörte man ihn an der Küche mit den Mädels schimpfen, was die da machen, gleich wird er sie auf Trab bringen und so weiter, was ihn doch gar nichts anging.
    «Laß ihn doch!» hatte Katharina gesagt, als das Tantchen ihr davon erzählte. «Dieser Mann hat gewiß auch seine Sorgen.»
     
    Katharina sah auf den Trampel-Halbkreis hinunter, wenn sie im Wintergarten nach dem Thermometer guckte oder das Fenster öffnete, um ihren gefiederten Freunden Vogelfutter ins Häuschen zu streuen. Das Tantchen vorn blickte auf Peters Baumhaus, und Katharina sah hinunter auf den Halbkreis, der unten in den reinlichen weißen Schnee getrampelt war.
    Eisblumen rasterten über die Fenster, und die Tür war mit grünen Decken gegen die kalte Luft verhängt.
     
    Im Wohnzimmer, unter der Dachschräge, existierte eine Abseite, für Koffer und Bettzeug. An sich störend. Deshalb hatteKatharina auch eine kleine, mit Blumen bemalte, kunstgewerbliche Truhe davorgestellt, über die sie eine Decke legte.
    Auch die Abseite hielt Katharina verschlossen, dort lagerten spezielle Vorräte, von Eberhard nach und nach ergänzt, Zigaretten vor allem, Kaffee und Kakao und auch Seife, aus Frankreich – wenn es mal gar nichts mehr zu kaufen gibt. Likör, Kognak und siebzehn Flaschen italienischen Rotwein der Marke «Barolo Riserva».
    Auch die Existenz

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