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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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mit an, wie sie da lag. Er hier oben – sie da unten ... Wie hätte er ihr zu Hilfe kommen sollen?
    Irgendwann hatte er es satt. Und als er wieder hinguckte, war die Frau, dieser schwarze Haufen da, verschwunden.
     
    Kalt war es, denn der Ofen zog nicht recht, und Peter wäre am liebsten ins Bett gekrochen, aber das ging nicht, denn die Tante hatte es an sich, plötzlich die Tür aufzureißen und nach dem Rechten zu sehen, besonders, wenn es still war bei ihm da oben. Es wäre nicht gegangen: daß er im Bett liegt und liest am helllichten Tage. Und so saß er denn am Fenster und guckte hinaus und ritzte in das Fenstereis Figuren.
     
    Gegen Mittag trat die Sonne hervor, und sofort legte Peter alles beiseite und lief hinunter auf den Hof, wo aus dem Stall Sperlingsschwärme aufflogen. Er ärgerte die Ukrainerinnen, bis sie ihn mit dem Besen vertrieben, und warf den Hühnern was vor.
    Der Hahn, ein feuerroter Geselle mit blauem Schwanz, hieß Richard, er war Peters Freund. Wenn Peter erschien, stellte sichdas Tier ein wenig abseits, so daß die Hennen ihn nicht sehen konnten, und dann bückte sich Peter und hielt ihm in der hohlen Hand ein paar Körner hin. Der Hahn, wie satt er auch war, pickte sie auf und schmiegte dann seinen Kopf in Peters Hand. Das war eine Freundschaft von gleich zu gleich.
    Im Hühnerstall griff sich Peter ein frisch gelegtes Ei und trank es aus, auch das wäre der Tante nicht recht gewesen. Eier kocht man oder brät man – sie roh auszutrinken, das ist doch ekelhaft ... Auch von den Rübenschnitzeln, die den Kühen vorgeworfen wurden, aß er gern.
     
    Der Pfau ließ sich nicht blicken, der hatte sich vor der Kälte in den äußersten Winkel der Scheune verkrochen. Selbst das Futter, das Peter den Hühnern vorwarf, konnte ihn nicht locken. Der saß ganz oben in einer Ecke und rührte sich nicht.
     
    Der Taubenschlag war unbewohnt, da wehten noch ein paar Federn am Flugloch, aber alles war totenstill, in dem Schlag nisteten höchstens mal ein paar Schwalben. Der alte Herr von Globig hatte seinen Spaß an Vögeln gehabt. Der Pfau mit Radschwanz und Krönchen, ein Truthahn mit Familie. Gänse. Als er nicht mehr auf die Jagd gehen konnte, waren Tauben seine einzige Freude gewesen. Er lag auf der Terrasse und hielt ihnen Körner hin, und er freute sich, wenn sie sich gurrend auf seiner Decke niederließen und mit dem Kopf nickten.
    Tauben: die schweren Körper und der elegante Flug. Daß das keine lieben Tiere waren, hatte der Alte natürlich auch bemerkt, zu ihm waren sie immer freundlich, aber untereinander hackten sie sich bis aufs Blut. «So wie die Menschen», sagte er dann, «da ist ja auch der eine dem andern sein Deibel.»
    Immer hatte er mit seinem Vetter Josef in Albertsdorf geredet,ob der sich nicht auch Tauben anschafft, sie könnten sich dann Nachrichten mit Hilfe der Tauben zukommen lassen, ganz ohne Porto und Verpackung!? Von Georgenhof nach Albertsdorf und zurück? Briefe ans Bein binden, der Ortssinn dieser Tiere ist ja enorm?
    Aber was hätten sie sich denn für Nachrichten zukommen lassen sollen? – Außerdem: Es gab doch ein Telefon!
    Als der alte Herr starb, waren diese Tiere sofort abgeschafft worden. In der Siedlung jedoch hatte sich dann jeder, der auf sich hielt, Tauben angeschafft, und die flogen dann in Schwärmen, mal nach links und mal nach rechts, wandten und wendeten sich.
     
    Neben der großen alten Scheune, die seit dem Verkauf der Ländereien nicht mehr benutzt wurde, stand das Kütnerhaus, unten war die Waschküche, und oben wohnten die Ukrainerinnen. Mittels einer Leiter gelangte man hinauf. Peter ärgerte die Frauen gern, er hatte Spaß daran, so lange «Madga» zu ihnen zu sagen, bis sie ihn mit dem Aufwischlappen schlugen. Manchmal stieg er hinauf in ihre Kammer, wo sie ihre Holzkoffer stehen hatten und ihre Siebensachen in einem ausrangierten Schrank.An der Wand klebten bunte Postkarten, auf denen eine Primaballerina abgebildet war in den verschiedensten Posen. Er neckte die magere Sonja immer etwas mehr als die korpulente Vera, von der mysteriöse Gerüche ausgingen. Auch von Sonja gingen Gerüche aus, aber die waren nicht uninteressant. Wenn sie ihn zu fassen kriegte, dann war das allerdings kein Spaß, die schlug richtig zu.
     
    Meistens stritten sich die beiden Frauen. Sonja kreischte, und Vera gab es ihr mit ruhiger Stimme zurück. Es kam aber auch vor, daß beide gemeinsam die melancholischen Lieder ihrerHeimat sangen. Sonja grell die Oberstimme,

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